MS

Glatiramer­acetat

INDIKATION

Glatirameracetat ist in Deutschland zur Therapie der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS) zugelassen. Die Zulassung für die schubförmige MS beruht vorrangig auf einer signifikanten Reduktion der Schubfrequenz. 

Das KKNMS empfiehlt den Einsatz von Glatirameracetat bei Patienten mit milder / moderater Verlaufsform einer schubförmigen MS.

Die Zulassung schließt Patienten nach einem ersten demyelinisierenden Ereignis und mit einem hohen Risiko für weitere Schübe entsprechend den 2010 revidierten McDonald Kriterien ein. Das Präparat wurde in der Dosierung von 20 mg täglich s. c. im Rahmen der PreCISe Studie auch für das klinisch isolierte Syndrom erfolgreich getestet.

Glatirameracetat ist dagegen nicht bei primär oder sekundär progredienter MS angezeigt.

Kontraindikation

Glatirameracetat ist kontraindiziert bei …

  • Überempfindlichkeit gegen die Substanz oder einen der sonstigen Bestandteile.

Eine relative Kontraindikation besteht bei …

  • Kindern unter zwölf Jahren
    Für diese Altersgruppe bestehen nicht genügend Informationen, um die Behandlung mit Glatirameracetat zu empfehlen; daher sollte Glatirameracetat bei Kindern unter zwölf Jahren nicht angewendet werden. Das Sicherheitsprofil bei Jugendlichen von zwölf bis 18 Jahren ist dagegen offensichtlich mit dem von Erwachsenen vergleichbar.
  • Schwangerschaft
    Bislang liegen keine relevanten epidemiologischen Daten vor. Glatirameracetat kann bis zum Eintritt der Schwangerschaft verabreicht werden. Aus Vorsichtsgründen soll eine Anwendung von Glatirameracetat während der Schwangerschaft vermieden werden, es sei denn, dass der Nutzen für die Mutter das Risiko für den Fetus überwiegt.
  • Stillzeit
    Glatirameracetat kann während der Stillzeit angewendet werden.

Dosierung

Glatirameracetat wird als parenterale Therapie mit 20 mg einmal täglich oder 40 mg dreimal pro Woche subkutan injiziert. Dosisanpassungen nach Gewicht, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit werden nicht vorgenommen. Bei leichter oder moderater Leberinsuffizienz sowie Niereninsuffizienz sind keine Anpassungen der Dosis notwendig.

Glatirameracetat darf nicht intravenös oder intramuskulär verabreicht werden. Die Einleitung der Therapie ist von einem Neurologen oder einem in der Behandlung der MS erfahrenen Arzt zu überwachen.

In einer prospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass eine Verdopplung der täglichen Dosis die Wirksamkeit der Substanz, gemessen an klinischen und MRT-Endpunkten, nicht verbessert. In Deutschland ist seit 2015, basierend auf einer vergleichbaren Schubratenreduktion und einem vergleichbaren Effekt auf MRT-Endpunkte, zusätzlich eine höhere Dosis (40 mg) in einer niedrigeren Applikationsfrequenz (3x / Woche) zugelassen. Copaxone® 40  mg dreimal pro Woche zeigt signifikant weniger Nebenwirkungen als Copaxone® 20 mg einmal täglich. Neben dem mit dem Handelsnamen Copaxone® zugelassenen Glatirameracetat wurde 2016 erstmals ein weiteres Glatirameroid mit dem Handelsnamen Clift® in der Dosierung von 20 mg einmal täglich zugelassen. Die Zulassung erfolgte, nachdem eine Vergleichsstudie eine ähnliche Wirksamkeit von Copaxone® 20 mg und Clift® auf den primären MRT-Endpunkt gezeigt hatte. Als nicht-biologische komplexe Wirkstoffe können einzelne Glatirameroide (generisches Glatirameracetat) Unterschiede hinsichtlich ihrer physikochemischen Eigenschaften aufweisen.

Pharmakokinetik

  • Glatirameracetat ist eine Mischung synthetischer Polypeptide, die aus vier Aminosäuren in festem molarem Verhältnis zusammengesetzt ist und im Mittel aus 45 bis 100 Aminosäuren besteht.
  • Die subkutan applizierte Gesamtdosis von 20 / 40 mg wird rasch in kleinere Fragmente und freie Aminosäuren abgebaut, sodass bereits eine Stunde nach Injektion nur noch 10% der Ausgangskonzentration nachweisbar sind. 
  • Glatirameracetat kann in Blut, Urin und Fäzes nicht nachgewiesen werden. Abbau- und Ausscheidungswege der Substanz bleiben dadurch unbekannt.

Pharmakodynamik

  • Der Wirkmechanismus von Glatirameracetat ist bisher nicht vollständig geklärt. Die Substanz besitzt immunmodulierende Eigenschaften, eine unspezifische immunsuppressive Wirkung besteht nicht. Diskutiert werden unter anderem eine Wirkung als alterierter Peptidligand mit Effekten auf Antigen präsentierende Zellen, die Induktion regulatorischer T-Zellen und ein Th1 / Th2-Shift.

Diagnostik || vor Therapiebeginn

Anamnese und klinische Untersuchung zu möglichen Kontraindikationen

Die sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sollte gezielt vor Therapieinitiierung mögliche Kontraindikationen bzw. Situationen mit erhöhten Sicherheitsbedenken ausschließen. Dieser Untersuchungsbefund ist auch als Ausgangsbefund zur späteren Evaluation des Therapieerfolgs unerlässlich. Anamnese und Untersuchung sowie die Indikationskriterien müssen detailliert dokumentiert werden (obligat).

Labor-Basisprogramm

  • Routinelaborparameter: Die Bestimmung von Blutbild plus Differenzialblutbild, Leberwerten (GOT, GPT, GGT, Bilirubin) und Nierenwerten (Kreatinin und geschätzte Kreatininclearance / GFR) ist obligat.
  • Entzündungsparameter: Vor Beginn der Therapie mit Glatirameracetat muss eine akute Entzündung durch die Erhebung des Urinstatus ausgeschlossen werden (obligat).
  • Schwangerschaftstest: Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter wird ein negativer Schwangerschaftstest empfohlen (fakultativ)

Radiologische Diagnostik

Ein Ausgangs-MRT des Schädels mit Kontrastmittel und ggf. des Rückenmarks muss vor Behandlungsbeginn mit Glatirameracetat für eine korrekte Indikationsstellung und als Ausgangsbefund für den weiteren Therapieverlauf vorliegen (nicht älter als zwölf Monate) (obligat)

Verschiedene Publikationen beschreiben Ablagerungen bzw. Signalveränderungen in speziellen Hirnarealen nach mehrmaligen Kontrastmittelgaben. Ein Krankheitsbild oder Symptome sind auf diese jedoch bislang nicht zurückzuführen. Das KKNMS empfiehlt, bei der Diagnosestellung weiterhin gadoliniumhaltige Kontrastmittel einzusetzen, um die Diagnose nicht zu verzögern und ein aussagekräftiges, standardisiertes Ausgangs-MRT zu erzielen. Im Krankheitsverlauf kann dann auf die Kontrastmittelgabe verzichtet werden, solange kein klinischer Anhaltspunkt für einen Krankheitsprogress vorliegt und wenn leitliniengerechte MRT-Kontrollen unter Therapie routinemäßig durchgeführt werden.

Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken

Eine standardisierte Aufklärung mit schriftlicher Einwilligungserklärung zur Therapie ist ratsam (fakultativ). Über mögliche Glatirameracetat-spezifische Nebenwirkungen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen muss aufgeklärt werden. Hierbei muss insbesondere auf folgende Aspekte eingegangen werden: 

  • Die häufigste Nebenwirkung ist eine lokale Reaktion der Injektionsstelle. Diese kann von Erythem, Schmerz, Quaddelbildung, Pruritus mit lokaler Entzündung bis hin zu einer kutanen Allergie reichen. Lokale Hautreaktionen traten mindestens einmal bei 70% der mit Glatirameracetat behandelten Patienten versus 30% bei placebobehandelten Patienten auf. Seltener kann es zu einer kosmetisch beeinträchtigenden, lokalen Lipoatrophie kommen. Eine suffiziente Desinfektion der Einstichstelle kann das Auftreten und das Ausmaß lokaler Injektionsreaktionen reduzieren.
  • Unmittelbar nach der Injektion kann eine sogenannte Postinjektionsreaktion mit mindestens einem der folgenden Symptome auftreten: Gefäßerweiterung, Brustschmerzen, Dyspnoe, Palpitationen oder Tachykardie. Diese Reaktionen können innerhalb von Minuten nach einer Glatirameracetat-Injektion auftreten und gehen in der Regel spontan und ohne weitere Folgen zurück. In klinischen Studien berichteten 31% der Patienten mindestens einmal über eines oder mehrere der Symptome dieser Sofortreaktionen nach einer Glatirameracetat-Injektion gegenüber 13% der Patienten, die Placebo erhielten. Es gibt keine Hinweise darauf, dass bestimmte Patientengruppen hinsichtlich dieser unerwünschten Reaktionen ein erhöhtes Risiko haben. Ernsthafte Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zur Anaphylaxie treten dagegen äußerst selten auf.
  • Weitere potenzielle, aber nach unserer Erfahrung eher seltene Nebenwirkungen umfassen Infektionen (Bronchitis, Gastroenteritis, Herpes simplex, Otitis media, Rhinitis, Candida-Mykosen), Lymphadenopathie, Dermatitis und Panniculitis, anaphylaktoide Reaktionen, abnormale Leberfunktionstests, Doppelbilder, Erbrechen, Tremor und Gewichtszunahme.

VORTHERAPIEN || Abstand und Maßnahmen

Behandlungsnaive Patienten

Behandlungsnaive Patienten

Es ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.

Interferon-­beta

Vorbehandlung mit Interferon-beta

Es ist kein besonderer Sicherheitsabstand notwendig. Eventuelle Effekte jener Therapie auf das Immunsystem sollten weitgehend abgeklungen sein. Es ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.

Dimethylfumarat/Diroximelfumarat

Vorbehandlung mit Dimethylfumarat/Diroximelfumarat

Es ist kein besonderer Sicherheitsabstand notwendig. Eventuelle Effekte von Dimethylfumarat/Diroximelfumarat auf Blutbild und Leberwerte sollten jedoch abgeklungen sein.

Teriflunomid

Vorbehandlung mit Teriflunomid

Effekte jener Therapie müssen durch ein Blutbild plus Differenzialblutbild ausgeschlossen werden (obligat). Wegen der langen Eliminationshalbwertszeit ist eine beschleunigte Auswaschung vor Umstellung möglich, aber aufgrund der vorliegenden Phase-II-Studienerfahrungen in der Kombinationstherapie mit Teriflunomid und Glatirameracetat nicht obligat. Es ist ein Sicherheitsabstand von mindestens vier Wochen einzuhalten.

Fingolimod, Siponimod, Ozanimod oder Ponesimod

Vorbehandlung mit Fingolimod, Siponimod, Ozanimod oder Ponesimod

Bei Umstellung von S1P-Rezeptor-Modulatoren auf Glatirameracetat muss vor Beginn der Therapie ein Sicherheitsabstand eingehalten werden, der sich nach der Eliminationshalbwertszeit der einzelnen Substanzen (bzw. ihrer bioaktiven Metaboliten) bemisst. Ein Sicherheitsabstand von mindestens vier Wochen nach Absetzen des S1P-Rezeptor-Modulators wird für Fingolimod und Ozanimod empfohlen, während dieser Abstand bei Siponimod und Ponesimod kürzer sein kann (ein bis zwei Wochen). Pharmakodynamische Wirkungen (Senkung der Lymphozyten im peripheren Blut) können aber nachhinken. Daher ist zum Ausschluss einer relevanten Lymphopenie ein Blutbild plus Differenzialblutbild durchzuführen (obligat).

Beim Absetzen von Fingolimod ist zu beachten, dass es bei ca. 10% der mit Fingolimod behandelten Patienten zu einem Rebound-Phänomen mit zum Teil fulminant verlaufenden Schüben kommen kann. In der Regel tritt das Rebound-Phänomen zwei bis vier Monate nach Absetzen von Fingolimod auf. Patienten mit hochaktiver Verlaufsform ihrer MS vor Beginn mit Fingolimod, aber auch Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf Fingolimod scheinen eher zu einem Rebound zu neigen.

Natalizumab oder Natalizumab-Biosimilar

Vorbehandlung mit Natalizumab oder Natalizumab-Biosimilar

Es ist ein Sicherheitsabstand von mindestens sechs bis acht Wochen notwendig. Vor Therapiebeginn mit Glatirameracetat müssen ein Differenzialblutbild und eine Untersuchung der Leberwerte durchgeführt werden (obligat).

Untersuchungen an 1.866 Patienten, bei denen Natalizumab wegen der ersten PML-Fälle im Jahr 2005 abgesetzt wurde, haben gezeigt, dass meist die Krankheitsaktivität wieder auftritt wie vor Beginn der Therapie. Weitere Untersuchungen inkl. einer Metaanalyse haben gezeigt, dass bei einigen Betroffenen die Schubaktivität vorübergehend sogar stärker ausgeprägt sein kann als zuvor (= Rebound-Phänomen). Durch den plötzlichen Wegfall der Hemmung durch Natalizumab kommt es zu einem verstärkten und raschen Einstrom von Ent­zündungszellen ins Nervensystem. Dies kann bereits vier Wochen nach Absetzen bis hin zu sechs Monaten danach auftreten.

Azathioprin, Ciclosporin A, Mitoxantron, Methotrexat

Vorbehandlung mit Azathioprin, Ciclosporin A, Mitoxantron oder Methotrexat

Bei Wechsel auf Glatirameracetat ist ein Sicherheitsabstand von mindestens drei Monaten notwendig. Vor Beginn sollte zum Ausschluss einer relevanten Lymphopenie ein Blutbild plus Differenzialblutbild durchgeführt werden (fakultativ).

Cladribin

Vorbehandlung mit Cladribin

Wenn aufgrund von Nebenwirkungen oder nicht ausreichender Wirksamkeit der Cladribin-Behandlung auf eine andere Immuntherapie umgestellt wird, ist ein
Sicherheitsabstand von mindestens sechs Monaten nach dem letzten
Behandlungszyklus einzuhalten. Vor Beginn einer anderen Immuntherapie muss ein Differenzialblutbild einschließlich einer Lymphozytentypisierung (CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, B-Zellen und NK-Zellen) erstellt werden (obligat). Regelmäßige Blutbildkontrollen sollten auch nach Therapieende über mindestens fünf Jahre erfolgen (fakultativ). Therapiespezifische Effekte auf das Immunsystem (z. B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein.

Bei Umstellung aufgrund von hoher Krankheitsaktivität unter Cladribin-Behandlung muss im Einzelfall über die Wartezeit entschieden werden, und es sollte eine zeitnahe Vorstellung an einem für MS spezialisierten Zentrum erfolgen.

Ocrelizumab, Ofatumumab, Rituximab

Vorbehandlung mit Ocrelizumab, Ofatumumab oder Rituximab

Hier sollte der Sicherheits­abstand vor Beginn der Therapie mit Glatirameracetat mindestens sechs bis zwölf Monate betragen und ein Differenzialblutbild muss erhoben werden (obligat). Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein.

Alemtuzumab

Vorbehandlung mit Alemtuzumab

Die Umstellung von Alemtuzumab auf Glatirameracetat sollte frühestens sechs bis zwölf Monate nach der letzten Infusion mit Alemtuzumab erfolgen. Vor Beginn der Therapie müssen ein Blutbild plus Differenzialblutbild erstellt werden (obligat). Eine durchflusszytometrische Zellphänotypisierung kann durchgeführt werden (fakultativ).

Studienmedikamente

Vorbehandlung mit Studienmedikamenten

Hier kann kein fester Sicherheitsabstand angegeben werden. Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) bzw. weitere Organsysteme (z.B. Autoimmunerkrankungen) sollten abgeklungen sein. Es sollte eine Rücksprache mit dem MS-Zentrum erfolgen, welches den Patienten während der Studie betreut hat. In jedem Fall sollte die jeweilige fünffache Eliminationshalbwertszeit des Studienpräparats abgewartet werden und ein normaler Immunstatus (Differenzialblutbild) vorliegen (obligat).

Monitoring & Maßnahmen || unter Therapie

Klinisch-neurologische Kontrolle
Regelmäßige neurologische Kontrolluntersuchungen in vierteljährlichen Abständen sollten durch MS-erfahrene Behandler erfolgen. Die Anamnese und Untersuchung müssen schriftlich dokumentiert werden (obligat).

Labor-Basisprogramm
Routinelaborparameter: Die Bestimmung eines Differenzialblutbilds sowie von Leber- und Nierenwerten ist zumindest im ersten Therapiejahr in dreimonatlichen Intervallen ratsam (fakultativ). In der Folge kann bei unauffälligen Laborwerten eine Streckung der Kontrollintervalle z.B. auf ein- bis zweimal jährlich erwogen werden.

Unter Glatirameracetat sind abnorme Leberfunktionstests und etwas seltener Blutbildveränderungen (Leukozytose bzw. Leukopenie, Thrombopenie) beschrieben, die Laborkontrollen in Analogie zu anderen dauerhaft gegebenen Immuntherapeutika für die milde / moderate Verlaufsform einer schubförmigen MS sinnvoll erscheinen lassen.

Radiologische Kontrolle
Zur Beurteilung des Behandlungserfolgs sowie zur Abschätzung der notwendigen Dauer der Therapie soll zumindest in den ersten beiden Therapiejahren jährlich ein MRT des Schädels und ggf. des Myelons durchgeführt werden (fakultativ). Auf die Kontrastmittelgabe sollte verzichtet werden, wenn es keinen klinischen Anhaltspunkt für einen Krankheitsprogress gibt und ein standardisiertes Ausgangs-MRT vorliegt.

Während der Therapie

Schübe, die unter Glatirameracetat auftreten, können nach Standardvorgaben mit Kortikosteroiden bzw. mittels einer Plasmapherese therapiert werden.

Die zusätzliche Gabe von Immuntherapeutika ist streng kontraindiziert.

Besondere Hinweise

Schwangerschaft, Stillzeit, Fertilität

  • Tierexperimentelle Studien haben keine Reproduktionstoxizität gezeigt. Die derzeitigen Daten über die Anwendung von Glatirameracetat 20 mg / ml an schwangeren Frauen deuten nicht auf ein Fehlbildungsrisiko oder eine fetale / neonatale Toxizität von Glatirameracetat hin. Daten aus der Anwendung von Glatirameracetat 40 mg / ml an schwangeren Frauen sind übereinstimmend mit diesen Ergebnissen. Bislang liegen keine relevanten epidemiologischen Daten vor. Glatirameracetat kann bis zum Eintritt der Schwangerschaft verabreicht werden. Nach Eintritt einer Schwangerschaft kann die Behandlung in Einzelfällen nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung bei Frauen mit hohem Risiko für einen Erkrankungsschub während der Schwangerschaft fortgeführt werden.
  • Die physikalisch-chemischen Eigenschaften und die geringe orale Resorption legen nahe, dass die Exposition von Neugeborenen/Kindern gegenüber Glatirameracetat über die Muttermilch vernachlässigbar ist. Eine nicht-interventionelle retrospektive Studie, bei der 60 gestillte Kinder, deren Mütter Glatirameracetat erhalten hatten, mit 60 gestillten Kindern, deren Mütter keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten hatten, verglichen wurden, und begrenzte Erfahrungen am Menschen nach Markteinführung zeigten keine negativen Effekte von Glatirameracetat. Glatirameracetat kann während der Stillzeit angewendet werden.

Impfungen

Umfassende Untersuchungen zu Impfungen und Glatirameracetat liegen nicht vor. Aus den vorhandenen Daten lässt sich aber kein Hinweis darauf finden, dass Glatirameracetat einen Impferfolg einschränkt. Ggf. ist der Impferfolg mittels Titerkontrolle zu überprüfen. Die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen ist unter der Therapie mit Glatirameracetat streng zu stellen (fakultativ)

Detaillierte Empfehlungen zu Impfungen unter MS-Therapien siehe Spezialsituationen.

Seit 2018 ist ein Totimpfstoff gegen VZV (Shingrix®) zur Verhinderung von Herpes-zoster-Infektionen zugelassen. Die STIKO empfiehlt diese Impfung bei allen Personen > 60 Jahren. Bei Personen mit einer Grundkrankheit oder Immunschwäche (wie z.B. durch eine MS-Immuntherapie) empfiehlt die Kommission die Impfung bereits ab einem Alter von 50 Jahren (Indikationsimpfung). Da Zoster bei der Anwendung von Immuntherapien ein häufigeres Problem darstellen kann, kann individuell überlegt werden, den Impfstoff vor Anwendung einer Immuntherapie einzusetzen (off-label).

Dauer der Therapie

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen keine Erkenntnisse über die notwendige Mindest- oder Maximalbehandlungsdauer vor. Studiendaten über 20 Jahre sprechen dafür, dass sich auch in der Langzeitanwendung das Sicherheitsprofil der Substanz nicht von den Daten der Zulassungsstudien unterscheidet.

Autoren

  • Prof. Dr. Ralf Linker

    Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg, Bezirksklinikum Regensburg

  • Prof. Dr. Martin S. Weber

    Institut für Neuropathologie und Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen

  • PD Dr. Anke Salmen

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

  • Dr. Rafael Klimas

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

  • Dr. Jeremias Motte

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

Weitere Informationen unter „Credits“.

Patientenaufklärung

Das KKNMS stellt einen Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Glatirameracetat für Sie bereit.

Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Glatirameracetat (PDF)

WORKFLOW-TABELLE

VOR der Therapie
WÄHREND der Therapie
Erläuterung

Autoren

Prof. Dr. Ralf Linker

Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg, Bezirksklinikum Regensburg

Prof. Dr. Martin S. Weber

Institut für Neuropathologie und Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen

PD Dr. Anke Salmen

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

Dr. Rafael Klimas

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

Dr. Jeremias Motte

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum