MS

Spezial­situationen

Schwangerschaft und Kinderwunsch

Verlauf der MS in der Schwangerschaft und postpartum

  • Die Schubrate nimmt in der Schwangerschaft kontinuierlich ab (bis zu 80% im letzten Drittel).
  • Neueren Daten zufolge ist der Schubanstieg nach der Geburt deutlich geringer ausgeprägt als die früher beschriebenen 30% in den ersten sechs Monaten und übersteigt das Vorschwangerschaftsniveau bei milder Multiple Sklerose (MS) möglicherweise nicht.
  • Allerdings erleidet ein relevanter Anteil von Frauen mit hochaktiver MS schon in der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten postpartum Schübe, insbesondere wenn Natalizumab oder Fingolimod (möglicherweise auch andere S1P-Modulatoren – wobei die Datenlage eingeschränkt ist) vor oder mit Bekanntwerden einer Schwangerschaft abgesetzt wurde. Deshalb sollte eine Schwangerschaft bei Frauen mit aktiver MS, wenn möglich, sorgfältig geplant werden.
  • Schwangerschaften scheinen sich nicht negativ auf die Progredienz der Erkrankung bzw. Behinderung auszuwirken.

Familiäre Belastung / Genetik

Während das Risiko, an einer MS zu erkranken, in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland ca. 0,1– 0,2% beträgt, erhöht es sich, wenn ein Blutsverwandter an MS erkrankt ist.

Folgende Häufigkeiten werden je nach Verwandtschaftsgrad zum MS-Betroffenen angegeben:

– Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung: 1 / 1000

– Cousin / Cousine hat MS: 7 / 1000

– Nachkomme eines MS-Elternteils: 20 / 1000

– eines der Geschwister hat MS: 35 / 1000

– Nachkommen von zwei MS-Elternteilen: 200 / 1000

– monozygoter Zwilling hat MS: 270 / 1000

Fertilität und Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit MS

  • Die Fertilität von Männern und Frauen mit MS ist per se nicht eingeschränkt.
  • Die Immuntherapien der MS schränken nach momentanem Wissensstand die Fertilität nicht ein.
  • Interaktionen von oralen Kontrazeptiva und den verfügbaren Therapien für milde / moderate und hochaktive Verlaufsformen liegen nicht vor. Eine Interaktionsstudie mit Cladribin und einer hormonellen Kontrazpetion (kombinierte Östrogen und gestagenhaltige Kontrazeption) ist abgeschlossen und zeigt, dass die Kontrazeption wirksam ist.
  • Die Schwangerschaftsverläufe von Frauen mit MS und gesunden Frauen sind ähnlich.
  • Einschränkungen für die Geburt ergeben sich durch die MS nicht, der postpartale Schubanstieg ist unabhängig vom Entbindungsmodus, somit gilt:
    – kein Kaiserschnitt nur wegen MS
    – keine Einschränkungen für eine Periduralanästhesie (PDA) oder Spinalanästhesie.

Schwangerschaftsregister

Ein deutschsprachiges Multiple Sklerose und Kinderwunsch Register (DMSKW) wird in Bochum geführt, nähere Informationen unter www.ms-und-kinderwunsch.de.

Schubtherapie in der Schwangerschaft

  • Tritt ein Schub in der Schwangerschaft auf (bei etwa 15-30%; erhöhtes Risiko wenn Natalizumab oder Fingolimod abgesetzt werden), kann bei einer schweren Symptomatik wie gewohnt hochdosiert mit Cortison behandelt werden. Die Indikation sollte streng gestellt werden und nur funktionell beeinträchtigende Schübe behandelt werden.
  • Prednisolon / Methylprednisolon sollte bevorzugt eingesetzt werden, da es im Gegensatz zu Dexamethason, welches die fetale Lungenreife unterstützt, nur zu ca. 10% plazentagängig ist. Dexamethason hingegen ist zu 100% im fetalen Blut nachweisbar.
  • Da im Tierversuch und zum Teil auch beim Menschen das Risiko einer Kiefer-Lippen-Gaumen-Spaltbildung nicht ausgeschlossen ist und Steroide als „schwache Teratogene“ diskutiert werden, sollte zwischen der achten und elften Gestationswoche mit einer Cortison-Therapie zurückhaltend umgegangen werden. In der Regel wird nur ein Cortisonpuls in der Schwangerschaft erforderlich sein. Es kann jedoch insbesondere bei Mehrfachbehandlungen mit Steroiden zur intrauterinen Wachstumsretardierung (IUGR), zur Frühgeburt sowie zur vorübergehenden Hypoglykämie, Hypotonie und zu Elektrolytstörungen beim Neugeborenen kommen. Sollte in seltenen Fällen eine Glukokortikoid-Therapie bis kurz vor der Geburt notwendig sein, ist auf eine mögliche Nebenniereninsuffizienz des Neugeborenen zu achten.
  • Die Immunadsorption und Plasmapherese sind verträgliche und effektive Maßnahmen in der Schwangerschaft und Stillzeit. Neueste Daten weisen jedoch darauf hin, dass die Frühgeburtenrate gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht und das mittlere Geburtsgewicht verringert sein könnte. Dennoch können die Immunadsorption und Plasmapherese nach intensiver Nutzen-Risiko-Abwägung eine Behandlungsoption darstellen, insbesondere bei steriodrefraktären Schüben.
  • Ein sog. Magenschutz mit Protonenpumpenhemmer (z.B. Omeprazol) kann gegeben werden.
  • Heparin zur Thromboseprophylaxe kann gegeben werden.

Verlaufsmodifizierende Immuntherapie und Kinderwunsch

Die meisten immunmodulatorischen Therapien sind in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert oder nur eingeschränkt zugelassen. Eine Ausnahme bilden Glatirameracetat- und Interferon-beta, für die aussagekräftige Daten mit mehreren tausend Fällen zur Frühschwangerschaftsexposition vorliegen.

Dennoch wird eine Unterbrechung der Schwangerschaft wegen Medikamentenexposition bei Konzeption nicht generell empfohlen, eine intensivierte Ultraschallvorsorge (13. und 20. Woche) kann jedoch je nach reproduktionstoxischem Risiko der Substanz angeraten sein.

Eine immunmodulatorische Therapie ist in der Schwangerschaft aufgrund des günstigen natürlichen Verlaufs meist nicht notwendig, kann aber im Einzelfall sinnvoll sein. So zum Beispiel für Natalizumb, das mit einer großen Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens der Krankheitsaktivität nach dem Absetzten einhergeht.

Aufgrund der schnellen Datengewinnung, wie sie beispielsweise bei Dimethylfumarat zu beobachten ist, können sich Fachinformationen und gängige Empfehlungen rasch ändern.

Im Folgenden wird der Originaltext der einzelnen Immuntherapeutika aus der jeweiligen Fachinformation, versehen mit einem Kommentar, vorgestellt.

Glatirameracetat

Fachinformation:

Schwangerschaft

Tierexperimentelle Studien haben keine Reproduktionstoxizität gezeigt. Weitergehende Erfahrungen an schwangeren Frauen (zwischen 300 – 1.000 Schwangerschaftsausgänge) deuten nicht auf ein Fehlbildungsrisiko oder eine fetale/neonatale Toxizität von Glatirameracetat hin. Falls notwendig, kann eine Anwendung von Glatirameracetat während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.

Stillzeit

Die physikalisch-chemischen Eigenschaften und die geringe orale Resorption legen nahe, dass die Exposition von Neugeborenen/Kindern gegenüber Glatirameracetat über die Muttermilch vernachlässigbar ist. Eine nicht-interventionelle retrospektive Studie, bei der 60 gestillte Kinder, deren Mütter Glatirameracetat erhalten hatten, mit 60 gestillten Kindern, deren Mütter keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten hatten, verglichen wurden, und begrenzte Erfahrungen am Menschen nach Markteinführung zeigten keine negativen Effekte von Glatirameracetat. Glatirameracetat kann während der Stillzeit angewendet werden.

Glatirameracetat (Copaxone®, Clift® oder Generika) zeigt im Tierversuch und in klinischen Fallsammlungen weder teratogenes (fruchtschädigendes) noch abortives (fehlgeburtbegünstigendes) Potential. Die Auswertung von Daten aus dem Deutschen Schwangerschaftsregister mit 600 Frauen, die Glatirameracetat in der Frühschwangerschaft erhalten hatten, zeigte keinen negativen Effekt auf den Verlauf und Ausgang der Schwangerschaft. Auch neue Daten der Firma Teva Pharma mit mehreren tausend Schwangerschaften zeigten keinen negativen Effekt auf den Schwangerschaftsausgang, wenn Frauen unter Glatirameracetat schwanger wurden. In einer umfangreichen kürzlich erschienenen Studie wurden auch bei Gabe von Glatirameracetat durch die gesamte Schwangerschaft keine negativen Schwangerschaftsausgänge beobachtet (n>600). Auswertungen verschiedener kleinerer Kohorten (n ≈ 150), darunter Auswertungen des DMSKW (n=40) zur Glatirameracetat-Exposition in der Stillzeit zeigen, dass sich die exponierten Kinder in den ersten beiden Lebensjahren normal (im Vergleich zur deutschen pädiatrischen Referenzbevölkerung) entwickeln.

  • Glatirameracetat kann bei Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests abgesetzt werden.
  • In Einzelfällen kann die Weiterbehandlung in der Schwangerschaft erwogen werden.
  • Männer müssen Glatirameracetat vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen.
  • Glatirameracetat ist in der Stillzeit zugelassen.

Interferone

Fachinformation:

Schwangerschaft

Weitreichende Erfahrungen (mehr als 1.000 Schwangerschaftsausgänge) aus Registern und nach Markteinführung deuten nicht auf ein erhöhtes Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen nach Exposition mit Interferon beta vor der Empfängnis oder während des ersten Schwangerschaftstrimenons hin. Die Dauer der Exposition während des ersten Trimenons ist jedoch nicht genau bekannt, da die Daten zu einem Zeitpunkt erhoben wurden, als die Anwendung von Interferon beta während der Schwangerschaft kontraindiziert war und die Behandlung wahrscheinlich unterbrochen wurde, als eine Schwangerschaft festgestellt und / oder bestätigt wurde. Die Erfahrungen mit einer Exposition während des zweiten und dritten Schwangerschaftstrimenons sind sehr begrenzt. Basierend auf Daten aus Tierstudien besteht ein potenziell erhöhtes Risiko für Spontanaborte. Das Risiko von Spontanaborten bei mit Interferon beta exponierten schwangeren Frauen kann anhand der derzeit vorliegenden Daten nicht ausreichend bewertet werden, aber die Daten weisen bisher nicht auf ein erhöhtes Risiko hin. Falls klinisch erforderlich, kann die Anwendung von Betainterferonen während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.

Stillzeit

Begrenzte Informationen zum Übergang von Betainterferonen in die Muttermilch, zusammen mit den chemisch / physiologischen Eigenschaften von Interferon beta, lassen vermuten, dass die in die Muttermilch ausgeschiedenen Mengen an Interferon beta-1a vernachlässigbar sind. Es werden keine schädlichen Auswirkungen auf das gestillte Neugeborene / Kind erwartet. Betainterferone können während der Stillzeit angewendet werden.

Die Anwendung von Interferonen (Avonex®, Betaferon®, Extavia®, Plegridy®, Rebif®) kann laut Fachinformation in der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden. Die Frage ob die jeweiligen Interferon beta Präparate in der Schwangerschaft bei allen Frauen weiter gegeben werden sollten, kann noch nicht ausreichend beantwortet werden und sollte in einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung mit den betroffenen Schwangeren geklärt werden. Es liegen nur Daten von wenigen (circa 100) Schwangerschaften vor, die Interferon beta durch die gesamte Schwangerschaft weiter injiziert haben.

  • Interferon beta kann bei Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests abgesetzt werden.
  • In Einzelfällen kann die Weiterbehandlung mit Interferon-beta in der Schwangerschaft erwogen werden.
  • Männer müssen Interferon beta vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen.
  • Das Stillen unter Interferon beta Präparten ist mit der Fachinformation abgedeckt.

Dimethylfumarat/Diroximelfumarat

Fachinformation:

Schwangerschaft

Es liegen weitergehende Erfahrungen zu schwangeren Frauen (zwischen 300-1.000 Schwangerschaftsausgänge) vor, die auf einem Schwangerschaftsregister und auf Spontanmeldungen nach der Markteinführung beruhen. Im Tecfidera-Schwangerschaftsregister wurden 289 prospektiv erfasste Schwangerschaftsausgänge bei MS-Patientinnen dokumentiert, die Dimethylfumarat ausgesetzt waren. Die mediane Dauer der Exposition gegenüber Dimethylfumarat betrug 4,6 Schwangerschaftswochen, wobei die Exposition nach der sechsten Schwangerschaftswoche begrenzt war (44 Schwangerschaftsausgänge). Die Exposition gegenüber Dimethylfumarat in diesem frühen Schwangerschaftsstadium deutet nicht auf Fehlbildungs- oder fötale/neonatale Toxizität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hin. Das Risiko einer längeren Exposition gegenüber Dimethylfumarat oder einer Exposition in einem späteren Stadium der Schwangerschaft ist nicht bekannt.

Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Die Anwendung von Dimethylfumarat während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht zuverlässig verhüten, wird nicht empfohlen. Dimethylfumarat sollte in der Schwangerschaft nur bei eindeutigem Bedarf angewandt werden, wenn der mögliche Nutzen das potentielle Risiko für den Fötus rechtfertigt.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Dimethylfumarat oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für das Neugeborene/Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Dimethylfumarat verzichtet werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

Tierversuche geben keinen Hinweis auf teratogene Risiken. Ein verringertes Gewicht der Jungtiere bei Geburt bzw. Ossifikationsstörungen traten nur in höheren Dosierungen auf, die auch für das Muttertier toxisch waren. Ein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko bei Kaninchen ist für die 16-fach höhere Dosis als beim Menschen beschrieben. Ca. 400 Schwangerschaften unter Dimethylfumarat (Tecfidera® oder Fumaderm®) dokumentierten kein erhöhtes Fehlgeburts- oder Fehlbildungsrisiko. Eine individuelle Nutzen-Risiko-Aufklärung ist mit der Patientin zu führen, allerdings ergibt sich bislang nach Auswertung aller Registerdaten kein Sicherheitsrisiko, so dass die Einnahme bis zum positiven Schwangerschaftstests in der Frühschwangerschaft sicher erscheint. Expositionsdaten zu späteren Zeitpunkten in der Schwangerschaft liegen nicht vor. Eine Interaktion mit oralen Kontrazeptiva wurde ausgeschlossen.

Allerdings sollte bei Diarrhoen als Nebenwirkung der Therapie auf eine verminderte oder aufgehobene Wirksamkeit der Pille hingewiesen werden.

Da Diroximelfumarat (Vumerity®) eine Pharmakokinetik ähnlich der von Dimethylfumarat – mit schneller Metabolisierung zu Monomethylfumarat – aufweist, gelten die selben Empfehlungen wie für Dimethylfumarat.

Erste Messungen von zwei Probandinnen zeigen, dass Monomethylfumarat nur zu einem sehr kleinen Teil in die Muttermilch übergeht, was grundsätzlich mit dem Stillen vereinbar sein könnte. Bei mehr als 20 Säuglingen, bei denen die Mutter ab dem 2. Monat postpartum und während der Schwangerschaft Dimethylfumarat bekommen hat, wurden keine Auffälligkeiten bezüglich Infektionsraten, in der Kleinkindentwicklung oder in Größe und Gewicht festgestellt.

  • Dimethylfumarat/Diroximelfumarat sollte bei positivem Schwangerschaftstest abgesetzt werden.
  • Dimethylfumarat/Diroximelfumarat sollte nur nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung in der Schwangerschaft weiter gegeben werden.
  • Männer müssen Dimethylfumarat/Diroximelfumarat vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen.
  • Unter Dimethylfumarat/Diroximelfumarat sollte nicht regelhaft gestillt werden.

Teriflunomid

Fachinformation:

Schwangerschaft

Bisher liegen nur begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Teriflunomid bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Teriflunomid kann schwerwiegende Schädigungen des Ungeborenen verursachen, wenn es während der Schwangerschaft angewendet wird. Teriflunomid ist während der Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Teriflunomid und danach, so lange der Plasmaspiegel von Teriflunomid über 0,02 mg/l liegt, eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Während dieses Zeitraums sollten Frauen ihren behandelnden Arzt konsultieren, wenn sie planen, die Verhütungsmethode abzusetzen oder zu wechseln.

Mädchen und/oder Eltern/Betreuungspersonen von Mädchen müssen über die Notwendigkeit informiert werden, den behandelnden Arzt zu benachrichtigen, sobald beim mit Teriflunomid behandelten Mädchen die Menstruation einsetzt. Neue Patientinnen im gebärfähigen Alter sollten über Verhütungsmethoden und das potenzielle Risiko für den Fetus aufgeklärt werden. Eine Überweisung an einen Gynäkologen sollte erwogen werden.

Die Patientinnen müssen angewiesen werden, dass sie im Falle eines Ausbleibens der Menstruation oder jeglicher anderer Gründe für den Verdacht auf das Bestehen einer Schwangerschaft unverzüglich Teriflunomid absetzen und ihren Arzt benachrichtigen, um einen Schwangerschaftstest durchzuführen. Sollte dieser positiv sein, müssen der Arzt und die Patientin das Risiko für die Schwangerschaft besprechen. Es ist möglich, dass ein rasches Senken der Konzentration von Teriflunomid im Blutspiegel durch das Einleiten eines Verfahrens zur beschleunigten Elimination beim ersten Ausbleiben der Menstruation das Risiko für den Fötus senkt.

Bei Frauen, die eine Teriflunomid-Behandlung erhalten und schwanger werden möchten, sollte das Arzneimittel abgesetzt werden, und es ist zu empfehlen, ein Verfahren zur beschleunigten Elimination durchzuführen, um schneller einen Plasmaspiegel unter 0,02 mg/l zu erreichen. Wenn kein Verfahren zur beschleunigten Elimination angewendet wird, ist zu erwarten, dass es durchschnittlich acht Monate dauert, bis ein Plasmaspiegel von unter 0,02 mg/l erreicht wird. Allerdings kann es bei einigen Patienten bis zu zwei Jahre dauern, bis Plasmakonzentrationen unter 0,02 mg/l erreicht werden. Daher sollte der Plasmaspiegel von Teriflunomid gemessen werden, bevor eine Frau versucht, schwanger zu werden. Wenn festgestellt wird, dass eine Plasmakonzentration von unter 0,02 mg/l erreicht wurde, muss die Plasmakonzentration nach einem Zeitraum von mindestens 14 Tagen erneut gemessen werden. Wenn die Plasmakonzentration bei beiden Messungen unter 0,02 mg/l liegt, ist kein Risiko für den Fötus zu erwarten.

Stillzeit
Tierstudien haben gezeigt, dass Teriflunomid in die Muttermilch übergeht. Teriflunomid ist während der Stillzeit kontraindiziert.

Obwohl Teriflunomid (Aubagio®, Generika) in Tierversuchen teratogen war, lag die Prävalenz großer Fehlbildungen bei circa 3% der exponierten Schwangerschaften, was einem natürlich vorkommenden Risiko entspricht. Dies könnte damit zusammenhängen, dass es speziesspezifische Unterschiede der Enzymkinetik der Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) gibt. So war die Hemmung der DHODH durch Teriflunomid in Ratten ausgeprägter als im Menschen.

Diese Befunde erlauben keine vollständige abschließende Beurteilung des teratogenen Risikos von Teriflunomid. Die Fallzahl exponierter Schwangerschaften ist so groß, dass nicht reflexhaft zu einem Schwangerschaftsabbruch geraten werden muss. Dennoch gilt folgendes:

  • Bei Therapiebeginn sollte ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
  • Unter der Therapie sind effektive kontrazeptive Maßnahmen notwendig.
  • Bei Kinderwunsch ist Teriflunomid abzusetzen, es sollte ein beschleunigtes Eliminationsverfahren mit Plasmaspiegelkontrolle durchgeführt werden.
  • Wird eine Frau ungeplant unter Teriflunomid schwanger, sollte eine beschleunigte Elimination mit Colestyramin durchgeführt werden und der Plasmaspiegel kontrolliert werden (siehe oben).
  • Das Risiko einer über den Mann vermittelten embryofetalen Toxizität aufgrund einer Teriflunomid-Behandlung gilt als niedrig. Die geschätzte Plasmaexposition der Frau über das Sperma eines behandelten Patienten ist schätzungsweise 100-mal niedriger als die Plasmaexposition nach einer oralen Dosis von 14 mg Teriflunomid.
  • Unter Teriflunomid darf nicht gestillt werden, da es sich um ein kleines Molekül mit hoher oraler Bioverfügbarkeit handelt.
  • Während des Auswaschverfahrens kann die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva herabgesetzt sein.

Alemtuzumab

Fachinformation:

Schwangerschaft

Bisher liegen begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Alemtuzumab bei Schwangeren vor. Alemtuzumab sollte während der Schwangerschaft nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen die potentiellen Risiken für den Fötus überwiegt.

Menschliches IgG passiert bekanntermaßen die Plazentaschranke; Alemtuzumab kann ebenfalls die Plazentaschranke überwinden und dadurch ein potentielles Risiko für den Fötus darstellen. In Toxizitätsstudien an Tieren wurde Reproduktionstoxizität nachgewiesen. Es ist nicht bekannt, ob die Verabreichung von Alemtuzumab bei schwangeren Frauen zur Fruchtschädigung oder zur Einschränkung der Fruchtbarkeit führen kann. Eine Schilddrüsenerkrankung stellt ein spezielles Risiko für schwangere Frauen dar. Ohne eine Behandlung der Hypothyreose während der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes Risiko eines Spontanaborts und fötaler Auswirkungen, wie etwa geistige Retardierung und Zwergwuchs. Bei Müttern mit Basedow-Krankheit können mütterliche Thyreotropin-Rezeptor-Antikörper auf einen in der Entwicklung befindlichen Fötus übertragen werden und eine vorübergehende neonatale Basedow-Krankheit zu Folge haben.

Stillzeit

Alemtuzumab wurde in der Milch und bei den Jungen säugender Mäuse nachgewiesen.

Es ist nicht bekannt, ob Alemtuzumab in die menschliche Milch übergeht. Ein Risiko für den gestillten Säugling kann nicht ausgeschlossen werden. Daher sollte das Stillen während einer Behandlungsphase von Alemtuzumab und vier Monate lang nach der letzten Infusion einer jeden Behandlungsphase unterbrochen werden. Allerdings kann der Nutzen der durch die Muttermilch übertragenen Immunität die Risiken einer potentiellen Exposition gegenüber Alemtuzumab für den gestillten Säugling überwiegen.

Fertilität

Bisher liegen keine hinreichenden klinischen Sicherheitsdaten zu den Auswirkungen von Lemtrada® auf die Fertilität vor. Eine Teilstudie mit 13 männlichen Patienten, die mit Alemtuzumab (entweder 12 mg oder 24 mg) behandelt wurden, gab keine Hinweise auf Aspermie, Azoospermie, beständig niedrige Spermienzahlen, Motilitätsstörungen oder einen Anstieg morphologischer Anomalien bei den Spermien.

CD52 ist bekanntermaßen im Reproduktionsgewebe des Menschen und von Nagetieren vorhanden. Daten aus Tierstudien haben Wirkungen auf die Fertilität bei humanisierten Mäusen gezeigt; eine potentielle Wirkung auf die menschliche Fertilität während des Zeitraums der Exposition, basierend auf den verfügbaren Daten, ist jedoch nicht bekannt.

Zu Beginn der Behandlung muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen. Eine Schwangerschaft kann vier Monate nach der letzten Infusion geplant werden; bzw. es kann vier Monate nach der letzten Infusion gestillt werden. Allerdings ist Alemtuzumab (Lemtrada®) schon nach 30 Tagen im Serum nicht mehr nachweisbar, so dass eine direkte Medikamententoxizität in der Frühschwangerschaft unwahrscheinlich erscheint.

Problematisch könnten Infekte sein, die vor allem in den ersten Wochen nach den Infusionen auftreten, oder sekundäre Autoimmunerkrankungen, die häufiger im weiteren Verlauf entstehen. Dysthyreote Stoffwechsellagen können z.B. die Fertilität beeinträchtigen, und Autoantikörper können ggf. auch im Verlauf zum Fötus übergehen. Schon vor der Planung einer Schwangerschaft sollte der TSH-Wert bei hypothyreoten Frauen < 2,5 mU/l liegen. Bei einer Hypothyreose steigt der Bedarf an Schilddrüsenhormon bei der großen Mehrzahl der Frauen. TSH sollte daher alle vier bis acht Wochen kontrolliert werden – häufiger als im Alemtuzumab-Nachsorgeprogramm vorgesehen.

Zur besseren Beurteilung des Therapieeffekts sollten beide Therapiezyklen abgeschlossen sein, bevor eine Schwangerschaft geplant wird. Wenige Schwangerschaften bei Frauen mit MS zeigten bislang eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität in der Schwangerschaft, wobei im ersten Jahr postpartum noch ein leichter Anstieg der Krankheitsaktivität zu verzeichnen war, der im zweiten Jahr wieder auf das Vorschwangerschaftsniveau zurückging. Ungefähr 15% der Frauen erlitten einen Schub und wurden zum Teil mit einem dritten Zyklus behandelt.

  • Vor der Behandlung sollte ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
  • Eine zuverlässige Kontrazeption ist während und vier Monate nach der Behandlungsphase angeraten.
  • Für Männer ergeben sich durch die Behandlung mit Alemtuzumab keine Einschränkungen.

Cladribin

Fachinformation:

Bisher ist nicht bekannt, ob Cladribin möglicherweise die Wirksamkeit systemisch wirkender hormoneller Kontrazeptiva vermindert. Daher sollten Frauen, die systemisch wirkende hormonelle Kontrazeptiva anwenden, während der Behandlung mit Cladribin sowie für mindestens 4 Wochen nach der letzten Dosis eines jeden Behandlungsjahres zusätzlich eine Barrieremethode anwenden.

Vor Behandlungsbeginn sowohl in Jahr 1 als auch in Jahr 2 sollten Frauen im gebärfähigen Alter sowie Männer, die zeugungsfähig sind, über die Möglichkeit eines schwerwiegenden Risikos für den Fötus und die Notwendigkeit einer zuverlässigen Verhütungsmethode informiert werden.

Schwangerschaft

Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss vor Behandlungsbeginn mit Cladribin in Jahr 1 und Jahr 2 eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Eine Schwangerschaft muss zudem während der Behandlung mit Cladribin und mindestens 6 Monate nach der letzten Dosis durch Anwendung einer zuverlässigen Verhütungsmethode verhindert werden. Frauen, die systemisch wirkende hormonelle Kontrazeptiva anwenden, sollten während der Behandlung mit Cladribin sowie für mindestens 4 Wochen nach der letzten Dosis eines jeden Behandlungsjahres zusätzlich eine Barrieremethode anwenden. Frauen, die während der Therapie mit Cladribin schwanger werden, sollten die Behandlung beenden.

Da Cladribin in die DNA-Synthese eingreift, sind unerwünschte Wirkungen auf die Gametogenese beim Menschen zu erwarten. Daher müssen männliche Patienten während der Behandlung mit Cladribin sowie für mindestens 6 Monate nach der letzten Dosis Vorkehrungen treffen, damit bei ihrer Partnerin keine Schwangerschaft eintritt.

Aufgrund von Erfahrungen am Menschen mit anderen die DNA-Synthese hemmenden Substanzen ist davon auszugehen, dass Cladribin angeborene Fehlbildungen verursachen kann, wenn es während der Schwangerschaft angewendet wird. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Cladribin in die Muttermilch übergeht. Im Hinblick auf das Potenzial schwerwiegender unerwünschter Wirkungen bei gestillten Kindern ist während der Behandlung mit Mavenclad® und für 1 Woche nach der letzten Dosis das Stillen kontraindiziert.

Fertilität

Bei Mäusen zeigten sich keine Effekte auf die Fertilität oder Reproduktionsfunktion bei den Nachkommen. Allerdings wurden Effekte auf Testes von Mäusen und Affen beobachtet.

Cladribin (Mavenclad®) hat eine Halbwertszeit von weniger als 24 Stunden. In dem klinischen Studienprogramm sind nur wenige Schwangerschaften aufgetreten, von denen die meisten elektiv beendet wurden. Drei gesunde Kinder wurden geboren. Seit der Zulassung sind nun vermehrt exponierte Schwangerschaften beschrieben. Die meisten Kinder wurden gesund geboren, bislang trat bei einem von circa 90 Neugeborenen eine große Fehlbildung auf. Bei 24 verzeichneten Lebendgeburten in der Interim-Analyse (CLEAR) wurde ein Kind mit einer Fehlbildung (EUROCAT-Klassifikation: Congential heart defects [Group 4], Atrial septal defect [ASD; Subgroup 22]) geboren. Frauen wie Männer sind aufzuklären über die Notwendigkeit einer effektiven Verhütung sechs Monate nach der Einnahme. Erste Daten zur Krankheitsaktivität zeigen eine hervorragende Kontrolle, sowohl in der Schwangerschaft, als auch postpartum.

In ersten Messungen von Cladribin in der Muttermilch bei drei Patientinnen, war dieses trotz Lipophilität nach 48 Stunden nicht mehr in der Milch nachweisbar. Die relative „infant dose“ lag bei rund 3-5%. Mehr Daten sind nötig um das pharmakokinetische Profil des Wirkstoffs in der Muttermilch besser abschätzen zu können.

  • Vor jedem Behandlungszyklus muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
  • Frauen müssen in den ersten vier Wochen nach der Einnahme mit einer zusätzlichen Barrieremethode verhüten.
  • Frauen und Männer müssen sechs Monate nach der letzten Einnahme sicher verhüten.
  • Ist eine Schwangerschaft unter Cladribin eingetreten, sollte eine intensivierte Ultraschalldiagnostik erfolgen.
  • Das Stillen ist eine Woche nach der letzten Einnahme wieder möglich.

Fingolimod / Siponimod / Ozanimod / Ponesimod

Mittlerweile sind vier verschiedene S1P Modulatoren in der MS Behandlung zugelassen (Fingolimod / Siponimod / Ozanimod / Ponesimod). Für alle Präparate gilt eine Kontraindikation, so dass unter der Therapie effektiv verhütet werden muss. Der empfohlene Zeitpunkt des Absetzens ergibt sich aus den unterschiedlichen Halbwertszeiten des Wirkstoffs oder seiner Metaboliten. Für die Praxis ergeben sich im Prinzip keine Änderungen der Beratung, da ein Absetzen der Therapie auch zuvor empfohlen wurde und die Therapie mit Bekanntwerden der Schwangerschaft beendet wurde. Allerdings sollte die Aufklärung über eine effektive Verhütung dokumentiert werden. Aktuellen Daten zufolge ergibt sich mittlerweile ein Muster für Fingolimod exponierte Schwangerschaften mit einem erhöhten Risiko für kardiale Fehlbildungen und Fehlbildungen der ableitenden Harnwege. Weiterhin gilt, dass eine Schwangerschaft nicht zwingend abgebrochen werden muss, wenn sie unter S1P Modulatoren aufgetreten ist.

Exemplarisch wird hier nur der Originalfachinformationstext von Fingolimod aufgeführt und im Kommentar die entsprechenden Empfehlungen zu den einzelnen Wirkstoffen.

Fachinformation:

Bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, ist Fingolimod kontraindiziert. Deshalb müssen Frauen im gebärfähigen Alter vor Therapiebeginn einen negativen Schwangerschaftstest vorweisen und über das schwerwiegende Risiko für das ungeborene Kind aufgeklärt werden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen eine zuverlässige Verhütungsmethode während und für 2 Monate nach Absetzen der Behandlung mit Fingolimod anwenden, da Fingolimod etwa zwei Monate braucht, um nach Absetzen der Behandlung aus dem Körper eliminiert zu werden. Besondere Maßnahmen sind in der Ärzteinformation (RMP-Schulungsmaterial) zu finden. Diese Maßnahmen müssen vor der Verordnung von Fingolimod an weibliche Patienten und während der Behandlung durchgeführt werden. Wird die Fingolimod-Therapie zum Zweck der Schwangerschaftsplanung abgesetzt, sollte die mögliche Rückkehr von Krankheitsaktivität in Betracht gezogen werden.

Schwangerschaft

Erfahrungen an Patienten nach Markteinführung deuten darauf hin, dass die Anwendung von Fingolimod bei Verabreichung während der Schwangerschaft mit einem 2-fach erhöhten Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (2–3%; EUROCAT) assoziiert ist. Die folgenden schweren Fehlbildungen wurden am häufigsten berichtet: Angeborene Herzkrankheiten wie atriale und ventrikuläre Septumdefekte, Fallot-Tetralogie, Fehlbildungen der Nieren und Fehlbildungen des Muskel- Skelett-Systems. Zur Auswirkung von Fingolimod auf Wehentätigkeit und Geburtsvorgang liegen keine Daten vor. Tierexperimentelle Studien haben Reproduktionstoxizität gezeigt, darunter Fehlgeburten und Organdefekte, insbesondere persistierender Truncus arteriosus und ventrikulärer Septumdefekt. Darüber hinaus ist bekannt, dass der durch Fingolimod modulierte Rezeptor (Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor) während der Embryogenese an der Gefäßbildung beteiligt ist. Demzufolge ist Fingolimod während der Schwangerschaft kontraindiziert. Fingolimod sollte 2 Monate vor der Planung einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Wenn eine Frau während der Behandlung schwanger wird, muss Fingolimod abgesetzt werden. Es sollte eine medizinische Beratung über das Risiko von schädlichen Auswirkungen auf den Fötus als Folge der Behandlung stattfinden und es sollten Ultraschalluntersuchungen durchgeführt werden.

Stillzeit

Fingolimod wird bei säugenden Muttertieren in die Muttermilch ausgeschieden. Aufgrund des potenziellen Risikos von schwerwiegenden Nebenwirkungen bei Säuglingen durch Fingolimod sollten Frauen unter Behandlung mit Fingolimod nicht stillen.

Fertilität

Fertilitätsdaten aus präklinischen Studien liefern keine Hinweise darauf, dass Fingolimod mit einem erhöhten Risiko einer reduzierten Fertilität verbunden sein könnte.

Unter Fingolimod (Gilenya®) sind bei aktuell mehreren hundert Schwangerschaften mit bekanntem Ausgang vereinzelte Fehlbildungen beschrieben. Hierbei wurden im firmeneigenen Schwangerschaftsregister bis zu 7% große Fehlbildungen dokumentiert, mehr als in den Pharmakovigilanz-Daten (circa 4%) (n = 868). Mittlerweile wurde ein Muster für kardiale Fehlbildungen und Fehlbildungen der ableitenden Harnwege berichtet. Die Fehlgeburtenrate scheint nicht beeinflusst. Ob Unterschiede für die verschiedenen Substanzen bestehen, kann aktuell nicht abschließend geklärt werden. Für die Schwangere problematisch können vereinzelt schwere Schübe nach dem Absetzen sein, sowie ein generell hohes Schubrisiko in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Jüngste Auswertungen zeigen, dass 30% der Frauen in der Schwangerschaft und 45% im ersten Jahr nach der Geburt einen Schub erleiden, wenn Fingolimod mit Kinderwunsch oder eingetretener Schwangerschaft abgesetzt wird. 6% der Frauen zeigen ein Jahr nach der Geburt eine durch Schübe neu aufgetretene funktionell relevante Behinderung.

  • Vor Therapiebeginn muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
  • Während der Therapie muss eine effektive Verhütung angewandt werden.
  • Es gibt keine Interaktion mit oralen Kontrazeptiva.
  • Fingolimod muss 2 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden, Siponimod 10 Tage, Ozanimod 3 Monate, und Ponesimod 1 Woche.
  • Es können schwere Schübe nach Absetzen der Therapie auftreten. Es sollte eine Umstellung auf eine schwangerschaftskompatible Therapie erwogen werden.
  • Sollte dennoch eine Schwangerschaft unter der Therapie eintreten, muss die Behandlung beendet werden. Eine intensivierte Ultraschalldiagnostik ist anzuraten.
  • Männer müssen S1P-Modulatoren vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen.
  • Unter S1P-Modulatoren sollte nicht gestillt werden, da es sich um kleine Moleküle mit hoher oraler Bioverfügbarkeit handelt.

Natalizumab

Wenn eine Frau unter der Anwendung dieses Arzneimittels schwanger wird, sollte das Absetzen des Arzneimittels in Erwägung gezogen werden. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich der Anwendung dieses Arzneimittels während der Schwangerschaft sollte den klinischen Zustand der Patientin und das mögliche Wiederkehren der Krankheitsaktivität nach Absetzen des Arzneimittels miteinbeziehen.

Fachinformation

Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Daten aus klinischen Studien, ein prospektives Schwangerschaftsregister, Fälle aus der Anwendungspraxis und die vorhandene Literatur weisen nicht auf einen Effekt einer Natalizumab-Exposition auf den Ausgang einer Schwangerschaft hin. Das abgeschlossene prospektive Tysabri®-Schwangerschaftsregister umfasste 355 Schwangerschaften mit verwertbarem Ausgang. Es gab 316 Lebendgeburten, von denen bei 29 Geburtsfehler gemeldet wurden. 16 von diesen 29 wurden als schwere Fehlbildungen eingestuft. Die Fehlbildungsrate entspricht den Raten anderer Schwangerschaftsregister mit Beteiligung von MS-Patienten. Es gibt keine Anzeichen für ein spezifisches Muster von Geburtsfehlern unter Natalizumab.

Es gibt keine adäquaten und kontrollierten Studien zur Anwendung von Natalizumab bei schwangeren Frauen.
Nach der Markteinführung wurde bei Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft gegenüber Natalizumab exponiert waren, über Thrombozytopenie und Anämie berichtet. Bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft gegenüber Natalizumab exponiert waren, wird eine Überwachung der Thrombozytenzahlen, des Hämoglobins und des Hämatokrits empfohlen.
Dieses Arzneimittel sollte während der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn dies eindeutig erforderlich ist. Wenn eine Frau während der Behandlung mit Natalizumab schwanger wird, sollte das Absetzen von Natalizumab in Erwägung gezogen werden.

Stillzeit

Natalizumab wird in die Muttermilch ausgeschieden. Es ist nicht bekannt, ob Natalizumab Auswirkungen auf Neugeborene / Kinder hat. Das Stillen soll während der Behandlung mit Natalizumab unterbrochen werden.

Ein spezifisches Fehlbildungsmuster ergibt sich nach Daten aus dem firmeneigenen und Deutschen Schwangerschaftsregister sowie einer italienischen Publikation derzeit nicht. Die europäische Zulassungsbehörde hat die Ergebnisse des firmeneigenen Registers in die aktuelle Fachinformation aufgenommen und bewertet sie als unproblematisch (keine erhöhte Fehlbildungsrate / kein Muster an Fehlbildungen). Im Deutschen Schwangerschaftsregister zeigt sich bei 650 exponierten Schwangerschaften kein Hinweis auf eine insgesamt erhöhte Fehlbildungsrate im Vergleich zu unexponierten Kontrollen. Ob bei Exposition in der Frühschwangerschaft die frühe Fehlgeburtsrate erhöht ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden, im firmeneigenen Register und dem DMSKW war sie nicht erhöht. In einer italienischen Publikation war sie gegenüber MS-Kontrollen erhöht, lag aber mit 17% im natürlich vorkommenden Rahmen.

  • Da Natalizumab (Tysabri® und Generika) häufig bei Frauen mit hochaktiver MS angewendet wird, sollte vor einem Absetzen der Medikation eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse erfolgen.
  • Frauen, die Natalizumab vor der Konzeption absetzen, erleiden häufiger Schübe im ersten Drittel der Schwangerschaft.
  • Knapp 70% der Frauen, die im Jahr vor der Schwangerschaft oder im ersten Trimenon mit Natalizumab behandelt wurden erleiden mindestens einen Schub in der Schwangerschaft oder im ersten Jahr postpartum; circa 10% der Schübe führen zu funktionell relevanter Behinderung ein Jahr nach der Geburt. Bei bis zu 1% waren die Schübe katastrophal mit einem EDSS ≥ 8,5.
  • Dieses Risiko sollte in die Aufklärung mit einbezogen werden und in der Entscheidung, ob die Behandlung mit Natalizumab in der Schwangerschaft fortgeführt wird, berücksichtigt werden. Generell wird zu einem Weiterführen der Medikation in der Schwangerschaft geraten.
  • Sollte die Behandlung mit Natalizumab in der Schwangerschaft weitergeführt werden, so sollte es nur bis zur 34. Schwangerschaftswoche gegeben werden. Die letzte Infusion sollte zwischen der 30. und 34. Woche erfolgen. Die Intervalle sollten auf 6 – 8 Wochen gestreckt werden.
  • Das Risiko für Blutbildauffälligkeiten bei den Kindern ist kleiner, wenn man Natalizumab zuletzt vor der 30. SSW infundiert. Allerdings kommt es bei 38% der Mütter zu mindestens einem Schub im Jahr postpartum. Wurde Natalizumab nach der 30. SSW weitergeführt und innerhalb des ersten Monats postpartum wieder begonnen, so erlitten nur 10% der Mütter einen postpartalen Schub.
  • Führt man Natalizumab in der Schwangerschaft weiter, sollte in den ersten zwei Wochen postpartum, in Abhängigkeit vom zeitlichen Abstand zur letzten Infusion in der Schwangerschaft, die Anschlussinfusion erfolgen.
  • Postpartum sollte eine hämatologische Nachbeobachtung des Neugeborenen erfolgen, da bei 37% der Neugeborenen, deren Mütter nach dem 1. Trimenon mit Natalizumab behandelt wurden, Anämien oder Thrombozytopenien beschrieben wurden. Daher wird empfohlen, in einer Klinik mit angeschlossener Pädiatrie zu entbinden und folgende Blutwerte beim Kind zu bestimmen: LDH, Bilirubin, Haptoglobin und großes Blutbild.
  • Männer müssen Natalizumab vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen.
  • Natalizumab ist in deutlich geringerer Konzentration als im Serum in der Muttermilch nachweisbar und die systemische Aufnahme beim reifen Neugeborenen nahezu ausgeschlossen. Erste Fallserien zeigen, dass die orale Bioverfügbarkeit der Substanz gering ist. Obwohl nicht von der Zulassung abgedeckt, kann das Stillen unter Natalizumab erwogen werden.

Anti-CD20-Antikörper

Mittlerweile werden on- und off-label vier verschiedene Anti-CD20-Antikörper in der Behandlung der MS angewandt. Die Texte der Fachinformationen unterscheiden sich geringfügig. Während bei Rituximab eine Schwangerschaft erst 12 Monate nach der letzten Infusion empfohlen wird, beträgt die wash-out Phase bei Ofatumumab 6 Monate und bei Ublituximab und Ocrelizumab 4 Monate. Auch die Stillempfehlungen unterscheiden sich (siehe unten).

Ocrelizumab

Fachinformation:

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Ocrelizumab und für 4 Monate nach der letzten Infusion von Ocrelizumab eine Empfängnisverhütung anwenden.

Schwangerschaft

Ocrelizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper der Immunglobulin-G1-Subklasse. Von Immunglobulinen ist bekannt, dass sie die Plazentaschranke passieren können. Es gibt eine begrenzte Menge an Daten zur Anwendung von Ocrelizumab bei schwangeren Frauen. Bei Neugeborenen und Säuglingen, die im Mutterleib Ocrelizumab ausgesetzt waren, ist ein Aufschieben von Impfungen mit Lebendimpfstoffen oder attenuierten Lebendimpfstoffen in Erwägung zu ziehen. Zu Neugeborenen und Säuglingen, die Ocrelizumab ausgesetzt waren, liegen keine Daten zur B-Zell-Zahl vor und die eventuelle Dauer einer B-Zell- Depletion bei Neugeborenen und Säuglingen ist unbekannt.

Bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft anderen Anti-CD20-Antikörpern ausgesetzt waren, wurde über eine vorübergehende B-Zell-Depletion und Lymphozytopenie berichtet.

Tierexperimentelle Studien (embryo-fetale Toxizität) deuten auf keine teratogenen Effekte hin. Eine B-Zell-Depletion in utero wurde festgestellt. Eine Reproduktionstoxizität wurde in prä- und postnatalen Entwicklungsstudien beobachtet.

Ocrelizumab soll während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der potenzielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Ocrelizumab oder dessen Metaboliten in die menschliche Muttermilch übergehen. Verfügbare pharmako-dynamische und toxikologische Daten von Tieren haben ein Übergehen von Ocrelizumab in die Muttermilch gezeigt. Ein Risiko für Neugeborene und Säuglinge kann nicht ausgeschlossen werden. Frauen sind darauf hinzuweisen, während der Therapie mit Ocrelizumab nicht zu stillen.

Ofatumumab

Fachinformation:

Frauen im gebärfähigen Alter sollten während und bis 6 Monate nach der letzten Gabe von Ofatumumab eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden (Methoden, bei denen die Schwangerschaftsrate bei unter 1% liegt).

Schwangerschaft

Bisher liegen nur begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Ofatumumab bei Schwangeren vor. Ausgehend von Befunden aus tierexperimentellen Studien kann Ofatumumab die Plazentaschranke passieren und eine fetale B-Zell-Depletion verursachen. Nach intravenöser Gabe von Ofatumumab an trächtige Affen während der Organogenese wurde keine Teratogenität beobachtet.

Bei Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft gegenüber anderen Anti-CD20-Antikörpern exponiert waren, wurde eine vorübergehende periphere B-Zell-Depletion und Lymphozytopenie berichtet. Die mögliche Dauer der B-Zell-Depletion bei Säuglingen, die in utero Ofatumumab ausgesetzt waren, sowie die Auswirkungen der B-Zell-Depletion auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen sind nicht bekannt (siehe Abschnitte 4.4 und 5.1).

Die Anwendung von Ofatumumab sollte während der Schwangerschaft vermieden werden, es sei denn, der potenzielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus.

Stillzeit

Die Anwendung von Ofatumumab bei Frauen während der Stillzeit wurde nicht untersucht. Es ist nicht bekannt, ob Ofatumumab in die Muttermilch übergeht. Beim Menschen werden in den ersten Tagen nach der Geburt IgG-Antikörper in die Muttermilch ausgeschieden, deren Konzentration kurz darauf auf niedrige Werte abfällt. Folglich kann ein Risiko für das gestillte Kind in diesem kurzen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden. Danach kann Ofatumumab während der Stillzeit angewendet werden, wenn dies aus klinischer Sicht notwendig ist. Wurde die Patientin jedoch bis zu den letzten Monaten der Schwangerschaft mit Ofatumumab behandelt, kann unmittelbar nach der Geburt gestillt werden.

Ublituximab

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Ublituximab und bis mindestens 4 Monate nach der letzten Infusion eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.

Schwangerschaft

Ublituximab ist ein monoklonaler Antikörper des Immunglobulin-G1-Subtyps, und Immunglobuline überwinden bekanntermaßen die Plazentaschranke.
Bisher liegen nur begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Ublituximab bei Schwangeren vor. Bei Neugeborenen und Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft Ublituximab erhalten haben, sollte ein Aufschub der Impfung mit Lebendimpfstoffen oder attenuierten Lebendimpfstoffen erwogen werden. Zu Neugeborenen und Säuglingen, die Ublituximab ausgesetzt waren, liegen keine Daten zur B-Zell-Zahl vor und die eventuelle Dauer einer B-Zell-Depletion bei Neugeborenen und Säuglingen ist unbekannt. Bei Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit anderen Anti-CD20-Antikörpern behandelt wurden, wurde über eine vorübergehende periphere B-Zell-Depletion und Lymphozytopenie berichtet. In Studien zur prä- und postnatalen Entwicklung wurde eine Reproduktionstoxizität beobachtet. Briumvi® soll während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der potentielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Ublituximab in die Muttermilch übergeht. Es ist bekannt, dass menschliches IgG in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch ausgeschieden wird, wobei die Konzentration kurz danach auf niedrige Werte sinkt; daher kann ein Risiko für den gestillten Säugling während dieses kurzen Zeitraums nicht ausgeschlossen werden. Danach kann Ublituximab während der Stillzeit angewendet werden, sofern klinisch erforderlich.

Ocrelizumab (Ocrevus®) hat eine Halbwertszeit von im Mittel 26 Tagen. In den USA sieht das Label eine Pause von 6 Monaten nach Behandlung mit Ocrelizumab bis zu einer möglichen Schwangerschaft vor. In der EU galt es, zunächst für Ocrelizumab eine Pause von 12 Monaten vor einer möglichen Schwangerschaft einzuhalten. Der Zeitraum wurde mittlerweile auf 4 Monate angepasst. Für Ofatumumab (Kesimpta®; Halbwertszeit im steady state 16 Tage) und Ublituximab (Briumvi®; Halbwertszeit im steady state 22 Tage) wurde der Zeitraum auf 6 bzw. 4 Monate festgelegt.

Anti-CD20-Antikörper waren nicht teratogen im Tierversuch und wie bei anderen monoklonalen Antikörpern ist der transplazentare Transfer im ersten Drittel der Schwangerschaft unwahrscheinlich. Dies spiegelt sich auch in humanen Firmendaten bzw. Fallserien und kleineren Kohorten verschiedener Zentren oder Register wieder. Daten zu mehr als 500 Ocrelizumab exponierten Schwangerschaften zeigen keine vermehrten Schwangerschaftskomplikationen oder negative Ausgänge. Diese Daten zeigen auch, dass eine B-Zell-depletierende Therapie VOR der Schwangerschaft nicht zu einer B-Zell Reduktion beim Kind
führt (n=40).

Es scheint auch bei Aussetzten der Therapie in der Schwangerschaft zu einer sehr guten Kontrolle der Krankheitsaktivität zu kommen. Daten aus dem deutschen MS- und Schwangerschaftsregister von mittlerweile über 200 exponierten anti-CD20 Schwangerschaften zeigen, dass es nur vereinzelt zu Schubereignissen in der Schwangerschaft und postpartum kommt. Vor diesem Hintergrund und der Zulassung für die aktive Form der MS erscheint das aktuelle europäische Label mit einer Therapiepause von 12 Monaten sehr konservativ und selbst eine wash-out Phase von 6 Monate erscheint noch konservativ.

  • Vor jeder Infusion sollte ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen.
  • Nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung kann eine Schwangerschaft im nächsten Menstruationszyklus nach der Infusion / Injektion geplant werden.
  • Mit Ofatumumab behandelte Frauen können die Injektionen bis zum Bekanntwerden der Schwangerschaft weiterführen. Während der Schwangerschaft sollten die Injektionen pausiert werden (präferiertes Vorgehen) und nur in Ausnahmefällen nach Rücksprache mit einem MS-Spezialzentrum fortgesetzt werden.
  • Sollte eine Patientin die Injektionen schon in der Planungsphase pausieren möchten, ist kein Sicherheitsabstand zur letzten Injektion erforderlich. Sollte nach 3 – 6 Monaten keine Schwangerschaft eingetreten sein, wäre es zu überlegen, die Therapie wieder zu beginnen. Daten zum Schubrisiko existieren nicht. Wird eine Schwangerschaft unter laufender Therapie (z.B. bei Frauen > 35 oder unerfülltem Kinderwunsch) geplant, sollte die Injektion bei Bekanntwerden der Schwangerschaft ausgesetzt werden.
  • Theoretische relevante Risiken liegen in einer höheren Infektionsgefahr in der Schwangerschaft bzw. sollte eine Hypoimmunglobulinämie vorliegen in einem höheren Infektionsrisiko beim Neugeborenen. In einer aktuellen Studie mit über 160 exponierten Schwangeren konnte zwar nach Anti-CD20-Antikörper Exposition eine erhöhte Gabe von Antibiotika in der Schwangerschaft gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet werden (23,2% vs unexponiert: 12,1%), schwere Infektionen waren jedoch selten (0,6%).
  • Sollte auf Grund einer schweren Exazerbation die Gabe eines Anti-CD20-Antikörpers wie Ocrelizumab/Ofatumumab/Rituximab in der Schwangerschaft erwogen werden, muss dies in einem spezialisierten MS-Zentrum geschehen.
  • Eine Reduktion der B-Zellen beim Neugeborenen ist unwahrscheinlich, wenn der Anti-CD20-Antikörper VOR der Schwangerschaft verabreicht wurde. Jedoch sollte nach Exposition IN der Schwangerschaft eine Kontrolle der B-Zellen bei Geburt erfolgen, sowie ggf. ein Monitoring, da Lebendimpfungen bis zur Normalisierung der B-zellen verschoben werden müssen.
  • Männer müssen keinen der Anti-CD20-Antikörper vor einer geplanten Zeugung absetzen.
  • Ofatumumab und Ublituximab sind in der Stillzeit zugelassen und können circa 2 Wochen nach der Geburt auch in der Stillzeit begonnen werden. Ocrelizumab wird voraussichtlich bald in der Stillzeit zugelassen sein, jedoch ist dies bisher noch nicht in der Fachinformation vermerkt. Obwohl nicht von der Zulassung abgedeckt, kann auch unter Rituximab das Stillen off-label erwogen werden.

Mitoxantron

Mitoxantron ist genotoxisch und gilt als ein potenzielles humanes Teratogen. Deshalb muss Männern unter Therapie geraten werden, kein Kind zu zeugen und empfängnisverhütende Maßnahmen während und mindestens für 6 Monate nach der Behandlung anzuwenden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen dazu ermahnt werden, während der Therapie nicht schwanger zu werden; sie müssen vor jeder Gabe von Mitoxantron einen negativen Schwangerschaftstest haben und während der Behandlung und für mindestens 4 Monate nach Behandlungsende eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.

Fachinformation:

Schwangerschaft

Bisher liegen nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Mitoxantron bei Schwangeren vor. In tierexperimentellen Studien war Mitoxantron in Dosen unter der Exposition beim Menschen nicht teratogen, verursachte aber eine Reproduktionstoxizität. Mitoxantron gilt aufgrund seines Wirkmechanismus und der bei verwandten Substanzen nachgewiesenen Wirkungen auf die Entwicklung als ein potenzielles humanes Teratogen. Aus diesem Grund ist die Anwendung von Mitoxantron zur Behandlung der Multiplen Sklerose bei Schwangeren kontraindiziert. Wenn Mitoxantron in anderen Anwendungsgebieten angewendet wird, sollte es nicht während der Schwangerschaft und vor allem nicht im ersten Trimester der Schwangerschaft gegeben werden. In jedem einzelnen Fall muss der Nutzen der Behandlung gegen das mögliche Risiko für den Feten abgewogen werden. Falls dieses Arzneimittel während der Schwangerschaft angewendet wird oder die Patientin während der Behandlung mit Mitoxantron schwanger wird, muss sie über das potenzielle Risiko für den Feten informiert werden und es muss ihr eine genetische Beratung angeboten werden.

Stillzeit

Mitoxantron wird in die Muttermilch ausgeschieden und wurde für bis zu einem Monat nach der letzten Anwendung in der Muttermilch nachgewiesen. Wegen des Potenzials für schwerwiegende Nebenwirkungen bei Säuglingen, ist Mitoxantron während der Stillzeit kontraindiziert und das Stillen muss vor Beginn der Behandlung abgebrochen werden.

  • Mitoxantron ist ein Immunsuppressivum mit genotoxischem Potenzial, weshalb Patienten beider Geschlechter empfohlen wird, die Therapie sechs Monate vor geplanter Schwangerschaft abzusetzen. Sollte eine Schwangerschaft unter Mitoxantron entstanden sein, sollte eine genetische Beratung veranlasst werden.
  • Die Fachinformation sieht einen Schwangerschaftstest vor jeder Gabe vor.
  • Männer müssen über die Möglichkeit der Kryokonservierung von Spermien vor der Behandlung aufgeklärt werden (leider keine Kostenübernahme der GKV; Kosten liegen bei ca. 300 Euro/Jahr).
  • Mitoxantron führt bei bis zu 30% der Frauen zu einer bleibenden Amenorrhoe.

Spezifische symptomatische Therapie und Kinderwunsch

Fampridin (Fampyra®)

  • Im Tierversuch verminderte Überlebensfähigkeit von Föten und Nachkommen bei für das Muttertier toxischen Dosen.
  • Keine bekannten Auswirkungen auf Fertilität, keine Teratogenität, Eliminationshalbwertszeit: sechs Stunden.
  • Empfohlenes Vorgehen: Absetzen ab dem Versuch, schwanger zu werden, spätestens beim Feststellen der Schwangerschaft.

Cannabinoide (Sativex®)

  • Im Tierversuch zeigte sich keine Teratogenität, allerdings eine erniedrigte Überlebensrate bei prä- und postnataler Exposition.
  • Da die Eliminationshalbwertszeit abhängig ist von der Anzahl der Sprühstöße und der Ansammlung im Fettgewebe (mit verzögerter Freisetzung), sollte Sativex® in der konkreten Planungsphase einer Schwangerschaft, spätestens aber bei Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests, abgesetzt werden.
  • Cannabinoide können aufgrund ihres lipophilen Charakters in beachtlichem Umfang in die Muttermilch übergehen, daher sollte unter Sativex® nicht gestillt werden.
  • Cannabinoide können sich negativ auf die Anzahl und Motilität der Spermien auswirken.

Modafinil (Vigil®)

  • Die Substanz besitzt eine Zulassung zur Behandlung der Narkolepsie, wird aber auch als „off label“-Verordnung zur Behandlung schwerer Fatiguesymptomatik bei MS eingesetzt.
  • Kürzlich hat das BfArM die Ärzteschaft über mögliche Fehlbildungen im Zusammenhang mit Modafinil informiert. Basierend auf einer begrenzten Anzahl von Meldungen besteht der Verdacht, dass die Anwendung von Modafinil während der Schwangerschaft zu schweren angeborenen Fehlbildungen führen kann, wobei kein spezifisches Fehlbildungsmuster beobachtet wurde. Modafinil sollte daher während der Schwangerschaft nicht angewendet werden.

Reproduktionsmedizin und MS

  • Neuen Studien zufolge ist das Schubrisiko nach einer reproduktionsmedizinischen Behandlung gering. Frauen mit MS sollten hierüber aufgeklärt werden.
  • Die reproduktionsmedizinische Therapie sollte lediglich von gynäkologischen / reproduktionsmedizinischen Erwägungen abhängig gemacht werden. Es wurde kein Unterschied im Schubrisiko nach der Anwendung unterschiedlicher Hormonbehandlungen (z. B. GnRH-Agonisten oder -Antagonisten) festgestellt.
  • Eine sichere schwangerschaftskompatible MS-Therapie sollte während der Stimulation beibehalten werden.

Besonderheiten postpartum

  • Schübe können mit hochdosierten Steroiden auch in der Stillzeit behandelt werden, eine Stillkarenz wird nicht mehr zwingend empfohlen und muss nicht länger als vier Stunden sein. Die Immunadsorption/Plasmapherese stellt eine alternative Schubbehandlung für schwere Schübe in der Stillzeit dar.
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG) spielen in der Behandlung der MS auch postpartal keine Rolle mehr und sollten nicht gegeben werden.

Die Arbeiten, die den Effekt von postpartum applizierten IVIG untersuchten, wurden nicht placebo-kontrolliert durchgeführt. In den Untersuchungen konnte ein positiver Effekt auf die postpartale Schubrate gezeigt werden. Bei den mit IVIG behandelten Frauen fehlte der typische signifikante postpartale Schubanstieg im Vergleich zum Vorschwangerschaftsniveau und zu historischen Kontrollen. In der sog. GAMPP-Studie zeigte sich hinsichtlich der Schubrate jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen zwei unterschiedlichen IVIG-Dosisarmen.

  • Ausschließliches Stillen scheint sich positiv auf die postpartale Schubrate bei mild-moderater MS auszuwirken. Alle Frauen mit MS, die stillen wollen, sollten in ihrem Stillwunsch unterstützt und bestärkt werden. Wenn eine Therapie auf Grund der MS-Aktivität notwendig ist, sollte das Stillen in Kombination mit einer stillkompatiblen MS-Therapie erfolgen.
  • Die gängigen Immuntherapeutika wie Interferone und Galtirameracetet, sowie Ofatumumab und Ublituximab, sind in der Stillzeit zugelassen. Ocrelizumab wird voraussichtlich bald in der Stillzeit zugelassen sein, jedoch ist dies bisher noch nicht in der Fachinformation vermerkt.
  • Unter oralen Immuntherapeutika wie Teriflunomid oder S1P-Modulatoren sollte wegen des möglichen Übertritts in die Milch und der oralen Bioverfügbarkeit nicht gestillt werden.
  • Natalizumab oder andere monoklonale Antikörper sind in deutlich geringerer Konzentration als im Serum in der Muttermilch nachweisbar, die orale Bioverfügbarkeit der Substanz ist gering, die systemische Aufnahme bei reifen Neugeborenen nahezu ausgeschlossen. Ofatumumab kann in der Stillzeit on-label gegeben werden. Erste Fallserien zu Natalizumab, Ocrelizumab und Ublituximab weisen nicht auf kindliche Gesundheitsschäden durch das Stillen unter Therapie hin. Daher könnte erwogen werden, on- oder off-label unter diesen Therapien oder verwandten Antikörpern zu stillen.
  • Es gibt erste Hinweise, dass der frühe Einsatz von Natalizumab oder Fingolimod (in den ersten zwei Wochen nach der Geburt) die postpartale Schubaktivität bei hochaktiven Verläufen senkt.
  • Mitoxantron ist in der Milch nachweisbar und daher in der Stillzeit kontraindiziert.
  • Eine Woche nach der letzten Cladribin-Einnahme darf gestillt werden.
  • Nimmt die Mutter mehr als 6.000 IE Vitamin D in der Stillzeit ein, braucht das Kind keine Vitamin D-Prophylaxe.

Impfungen

  • Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Impfungen im Kindes- und Jugendalter die Wahrscheinlichkeit, an einer MS zu erkranken, nicht erhöhen. Eine Assoziation von Impfungen zum Schutz vor Hepatitis B, Tetanus, Diphtherie, Influenza, Masern und Röteln besteht nicht. Dies konnte an großen Patientenkollektiven und Datenbankanalysen überzeugend gezeigt werden. Basierend auf diesen Daten gilt daher heute die Empfehlung, MS-Patienten entsprechend den Empfehlungen der STIKO ohne Ausnahmen zu impfen.
  • Zusätzlich wird eine Impfung zum Schutz vor einer Influenza (jährliche Grippeschutzimpfung) bereits vor dem 60. Lebensjahr bei allen MS-Patienten empfohlen. Das Risiko einer Verschlechterung und Schubauslösung durch eine Influenza ist deutlich höher einzuschätzen als potenzielle Risiken der Impfung für die MS. Wie auch gesunde sollten Schwangere mit MS gegen Influenza geimpft werden. Auch wenn unter immundepletierenden Therapien ein niedrigerer Titer nach einer Grippeschutzimpfung zu erwarten ist, zeigen die meisten Patienten auch unter der Therapie eine Impfantwort, die das Infektionsrisiko reduziert.
  • Allen MS Patienten wird zudem eine vollständige Immunisierung (3 Impfungen) gegen das Corona-Virus SARS CoV2 empfohlen. Die Auswertung von Registerstudien hat ergeben, dass die MS per se (mit oder ohne krankheitsmodifizierende Therapie) kein erhöhtes Risiko darstellt schwer an COVID19 zu erkranken. Für MS Patienten gelten aber die gleichen Risikofaktoren für einen schweren COVID19-Verlauf wie für die Allgemeinbevölkerung. Hier spielen v.a. höheres Lebensalter und Komorbiditäten des Herz-Kreislauf-Systems und des respiratorischen Systems eine wichtige Rolle. Von daher ist ein adäquater Impfschutz v.a. bei älteren MS Patienten mit höherem Behinderungsgrad von hoher Bedeutung. Es ist daher davon auszugehen, dass Risikopatienten – in Analogie zur Infuenza – eine regelmäßige Auffrischung ihres COVID19 Impfschutzes angeraten wird. Auf die Empfehlungen der STIKO sollte geachtet werden.
  • Registerstudien haben bei Patienten, die Anti-CD20-Therapien oder eine hochdosierte Steroidtherapie erhalten haben, ein höheres Risiko für schwere COVID19 Verläufe identifizieren können. Daher sollte insbesondere vor Beginn einer Anti-CD20-Therapie eine vollständige Immunisierung gegen COVID19 vorliegen (3 Impfungen und/oder Infektion).
  • Schwangere mit MS sollten wie Gesunde auch gegen Influenza und Keuchhusten geimpft werden. Da Schwangerschaften mit schwereren Covid-19 Verläufen assoziiert sein können, ist wie bei gesunden Frauen nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eine Impfung in der Schwangerschaft gegen SARS CoV2 möglich. Auch in der Stillzeit können Frauen mit MS geimpft werden. Weitere Hinweise auch unter dem Projekt VAC-MAC (VACcinierung von MS/Arthritis/Colitis-Patient:innen).
  • Zu Impfungen gegen Covid19 bei Patienten, die ein Immuntherapeutikum erhalten, liegen umfangreiche Daten vor. Hier konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit Anti-CD20-Antikörper und S1P-Modulatoren zu einer reduzierten Antikörperantwort führt. Für die Influenzaimpfung ist die Datenlage ebenfalls relativ umfangreich. Unter Interferon-Therapie, Fingolimod und Teriflunomid wurde bei Hersteller-gesponserten Studien das Erlangen eines ausreichenden Impfschutzes gezeigt. Eine rezente norwegische Studie zeigte bei Behandlung mit Glatirameracetat und Interferonen einen ähnlichen Impferfolg wie bei gesunden Kontrollen, bei Natalizumab und Fingolimod ergab sich ein geringerer Schutz, sodass hier ggf. eine weitere Impfdosis erforderlich wird. Für Ocrelizumab liegen die Daten der VELOCE-Studie vor, die – wie erwartet – im Vergleich zu Placebo eine geringere humorale Immunantwort auf die Vakzinierung zeigt. Die Impfantwort gegen die verschiedenen Influenza-Stämme rangierte zwischen 55 – 80%. Dementsprechend sollte der Impferfolg unter Zell-depletierenden Therapien durch die Bestimmung von Antikörpertitern überprüft werden. Die Erkenntnisse zur Covid19 und Influenzaimpfung sind wahrscheinlich auch auf die Gabe von anderen Totimpfstoffen (bei DMF Diphtherie, Tetanus, Pneumokokken und Meningokokken) übertragbar.
  • Nach der Behandlung mit Zell-depletierenden Substanzen sollte eine Impfung möglichst erst vier bis sechs Monate nach der letzten Gabe durchgeführt werden, wenn sich das Immunsystem zumindest teilweise wieder rekonstituiert hat.
  • Bei Lebendimpfstoffen (hierzu zählen z.B. Varizellen, Gelbfieber, BCG / Tuberkulose, Mumps / Masern / Röteln) wird eine verstärkte Impfreaktion befürchtet. Bei diesen sollte unter immunmodulatorischer Therapie die Indikation streng gestellt werden. Lebendimpfungen unter Alemtuzumab, Cladribin, Ocrelizumab, Ofatumumab, Ublituximab, Mitoxantron, oder S1P-Modulatoren (Fingolimod, Ozanimod, Ponesimod, Siponimod) sind kontraindiziert.
  • Für die von der STIKO im Erwachsenenalter vorgeschlagenen Impfungen (Tetanus, Diphtherie, Influenza, Pneumokokken) gibt es bei Patienten mit einer Immuntherapie keine Bedenken.
  • Bei den Impfstoffen gegen SARS CoV2 handelt es sich formal um „Totimpfstoffe“, die ebenfalls bedenkenlos während einer Immuntherapie eingesetzt werden können. Wenn möglich sollte allerdings auch diese Impfung 2 – 4 Wochen vor Beginn einer Immuntherapie abgeschlossen sein.
  • Der VZV-Titerschutz ist vor einer Therapie mit Fingolimod, Alemtuzumab, Cladribin und Ocrelizumab zu prüfen und im Falle eines unzureichenden Schutzes bzw. vorheriger Nichtexposition ist eine Immunisierung durchzuführen. Die STIKO empfiehlt darüber hinaus die Impfung gegen Varizellen bei seronegativen Patienten vor jeglicher immunsuppressiver Therapie.
  • Seit 2018 ist ein Totimpfstoff gegen VZV (Shingrix®) zur Verhinderung von Herpes-zoster-Infektionen bereits ab dem 18. Lebensjahr zugelassen. Die STIKO empfiehlt diese Impfung bei allen Personen > 60 Jahren. Bei Personen mit einer Grunderkrankung oder Immunschwäche (wie z.B. im Rahmen einer MS-Immuntherapie) empfiehlt die Kommission die Impfung bereits ab einem Alter von 50 Jahren (Indikationsimpfung). Da Zoster bei der Anwendung von Immuntherapien ein häufigeres Problem darstellen kann, kann individuell überlegt werden, den Impfstoff vor Anwendung einer Immuntherapie einzusetzen (off-label).
  • Angesichts der Wichtigkeit eines ausreichenden Impfschutzes bei MSPatienten, vor allem auch im Hinblick auf möglicherweise notwendige Zell-depletierende Therapien, sollte vorzugsweise schon bei Diagnosestellung der Impfstatus komplett überprüft und aufgefrischt werden.

Reisen

  • Für Patienten mit MS bestehen i .d.R. keine Einschränkungen für Reisen.
  • In Ländern mit tropischem / subtropischem Klima sollte bedacht werden, dass Symptome sich aufgrund eines Uhthoff-Phänomens verschlechtern können.
  • Für einige Immuntherapeutika sollte bedacht werden, dass eine Kühlung erforderlich ist. Entsprechend sollte auf Kühlmöglichkeiten am Reiseort geachtet werden. Folgende Lagerungen werden von den Herstellern derzeit empfohlen:
  • Avonex®: Zimmertemperatur (bis 25 ° C).
  • Betaferon® / Extavia®: Zimmertemperatur (bis 25 ° C), lichtgeschützt.
  • Copaxone®: Kühlschrank (2 bis 8 ° C), lichtgeschützt. Fertigspritzen können einmalig bis zu einem Monat bei Zimmertemperatur (15 bis 25 ° C) aufbewahrt werden.
  • Plegridy®: Pen im Kühlschrank lagern (2 bis 8 ° C). Plegridy kann bis zu 30 Tage bei Raumtemperatur (bis zu 25 ° C) außerhalb des Kühlschranks gelagert werden, muss aber vor Licht geschützt werden.
  • Rebif®: Fertigspritze / Patrone im Rebismart® in Aufbewahrungspackung: Kühlschrank (2 bis 8 ° C), lichtgeschützt, einmalig bis zu 14 Tage bei bis zu 25 °C.
  • Orale MS Medikamente (Aubagio®, Tecfidera®, S1P-Modulatoren) können bei Raumtemperatur (nicht > 25 bis 30 ° C) aufbewahrt werden.
  • Bei bestehender Injektionstherapie sollte bei Flugreisen eine entsprechende Bescheinigung (möglichst in englischer Sprache) mitgeführt werden. Entsprechende Unterlagen werden über die meisten Hotlines der Herstellerfirmen bereitgestellt.
  • Die symptomatische MS Therapie mit Nabiximols (Sativex®) zur Behandlung der MS-induzierten Spastik enthält Cannabinoide. Sativex ist ein Betäubungsmittel und sein rechtlicher Status ist von Land zu Land unterschiedlich. Vor Auslandsreisen unter Mitnahme von Sativex sollte überprüft werden, ob es legal ist, dieses Arzneimittel in ein Land mitzunehmen. Das Mitführen einer ärztlichen Bescheinigung ist in jedem Fall auf Reisen anzuraten.
  • Sativex sollte bei 2 bis 8 ° C im Kühlschrank aufbewahrt werden. Wenn es nicht im Kühlschrank aufbewahrt wird, wird es wahrscheinlich instabil und verliert seine Wirksamkeit.

Narkose / OP

  • Allgemein wird ein Zusammenhang zwischen Anästhesien (gleich welcher Art) und Schubauslösung oder Erkrankungsprogression als unwahrscheinlich erachtet. Am besten untersucht ist dies bei Periduralanästhesien bei schwangeren MS-Patientinnen.
  • Ebenso wird operativen Eingriffen kein Einfluss auf die MS zugeordnet.
  • Spezifische Empfehlungen zu Anästhesieverfahren bei MS bestehen nicht.
  • Einflüsse von Immuntherapien auf die Anästhesie sind nicht beschrieben.
  • Aufgrund der durch Steroide verursachten Wundheilungsstörung sollte bei elektiven Operationen ein Abstand zu Steroid-Therapien gehalten werden.

Epilepsie

  • Epileptische Anfälle treten bei MS-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger auf, jedoch scheint die Prävalenz nach neueren Daten niedriger zu sein als bisher angenommen. In einer retrospektiven Analyse der Universität Münster betrug die Prävalenz von epileptischen Anfällen 1,5% (Normalbevölkerung 0,5 – 1%).
  • Pathophysiologisch wird das vermehrte Auftreten von epileptischen Anfällen mit kortikalen, subkortikalen und hippocampalen Läsionen in Verbindung gebracht, d.h., es handelt sich um eine Form der sekundären Epilepsie / symptomatische Anfälle. Sicherlich gibt es aber auch eine Koinzidenz von primärer Epilepsie und MS. Anfälle können als Schubsymptomatik auftreten und ihr Auftreten ist in diesen Fällen möglicherweise zeitlich limitiert.
  • Primär und sekundär generalisierte Anfälle treten ungefähr gleich häufig auf, während einfach-fokale Anfälle doppelt so oft auftreten wie komplex-fokale Anfälle.
  • Ein epileptischer Anfall kann auch Erstmanifestation einer MS sein. Die Anfälle können bei allen Verlaufsformen auftreten. Untersuchungen zum Einfluss von epileptischen Anfällen auf den Verlauf der MS liegen nicht vor.
  • Hinsichtlich der Prognose konnte die retrospektive Münsteraner Studie ebenfalls Anhaltspunkte geben. Das Wiederauftreten eines Anfalls nach einem ersten Anfall hing signifikant vom MS-Subtyp ab – Patienten mit PPMS hatten das höchste Risiko. Ebenfalls wurde das Wiederauftreten von Anfällen häufiger beobachtet, wenn der erste Anfall gleichzeitig mit einem MS-Schub auftrat.
  • Kontrollierte Studien zur Therapie von epileptischen Anfällen spezifisch bei Patienten mit MS liegen nicht vor. Die meisten verfügbaren Antiepileptika wurden auch bei MS-Patienten eingesetzt. Daher gelten die gleichen Therapieempfehlungen wie bei Patienten ohne MS.
  • Bei Anfällen im Rahmen von MS-Schüben kann sich auch eine Steroid- Therapie positiv auf das Sistieren der Anfälle auswirken.

Wenn ein epileptischer Anfall erstmals während eines akuten Schubs auftritt, kann mit einer antiepileptischen Therapie abgewartet werden. Rezidivierende Anfälle sollten jedoch antiepileptisch behandelt werden.

  • Der Einfluss von Immuntherapien auf epileptische Anfälle ist nicht untersucht. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die verfügbaren Immuntherapien keinen Einfluss auf epileptische Anfälle haben.

Der Beginn einer Interferon-beta-Therapie hat zu keinem erhöhten Auftreten von epileptischen Anfällen geführt. In lediglich einer der Interferon-beta-Zulassungsstudien ist es in der Verum-Gruppe zu vier Anfällen gekommen, während dies bei keinem der Patienten in der Placebogruppe der Fall war.

  • Epileptische Anfälle wurden als Nebenwirkungen von 4-Aminopyridin (Fampridin, Fampyra®) beschrieben. Die Häufigkeit ist jedoch nicht bekannt und kann aufgrund der vorhandenen Daten nicht abgeschätzt werden. Bei Patienten mit Krampfanfällen in der Vorgeschichte und / oder die gegenwärtig an epileptischen Anfällen leiden, ist Fampridin daher kontraindiziert. Bei Patienten, die unter Fampridin einen Krampfanfall bekommen, muss das Medikament abgesetzt werden.
  • Zum Auftreten von epileptischen Anfällen unter der Therapie mit Sativex® liegen keine verlässlichen Angaben vor. Solange keine weiteren Informationen verfügbar sind, sollte laut Fachinformation bei der Behandlung von Patienten mit Epilepsie in der Anamnese oder mit rezidivierenden Anfällen vorsichtig vorgegangen werden. Da aber CBD eine Zulassung für bestimmte seltene Epilepsiesyndrome (Lennox-Gastaut Syndrom, Dravet Syndrom) im Kindesalter besitzt, ist das Risiko wahrscheinlich vernachlässigbar.

Sport

  • Bewegung und Sport gelten mittlerweile als Empfehlung für Patienten mit Multipler Sklerose.
  • Frühere Beobachtungen einer Verschlechterung von Symptomen unter körperlicher Aktivität sind auf eine Erhöhung der Körpertemperatur und einen temperaturabhängigen Leitungsblock partiell denervierter Axone zurückzuführen (Uhthoff-Phänomen). Mit einer Symptomrückbildung kann meist nach 30 Minuten gerechnet werden.
  • Auch intensive sportliche Aktivität wirkt sich nicht negativ auf den Krankheitsverlauf aus. Im Gegenteil existieren mittlerweile zu fast allen Kardinalsymptomen der MS (Spastik, kognitive Dysfunktion, Ataxie etc.) kontrollierte Studien, die eine positive symptomatische Wirkung von Sport und Bewegung zeigen konnten.
  • Bei MS-Patienten liegt die körperliche Aktivität unterhalb der Normalbevölkerung. Auch wenn dies zum Teil am Schweregrad der Symptome liegt, so stellt der Bewegungsmangel ein Risiko für koronare Herzkrankheit, Adipositas, Diabetes mellitus oder Osteoporose dar.
  • Mit Sport sollen nicht nur die Funktionen des Bewegungsapparats verbessert werden. Sport hat auch soziale Integrationsfunktionen und wirkt sich positiv auf Wohlbefinden, Lebensqualität und Fatigue aus.
  • Die Ausübung von Sport hängt vom jeweiligen Behinderungsgrad ab. MS-Patienten ohne Funktionseinschränkung können jegliche Sportart betreiben, die ihnen Spaß macht. Bei vorhandenen Funktionseinschränkungen muss die Sportart individuell angepasst werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass die körperliche Anstrengung jederzeit unterbrochen werden kann. MS-Patienten sollten – wie auch gesunde Personen – vorwiegend in einem moderaten Bereich trainieren.
  • Folgende Trainingsempfehlungen werden derzeit gegeben:
  • Ausdauertraining: 10 bis 40 Minuten bei mäßiger Intensität; zwei bis drei Einheiten pro Woche
  • Krafttraining: zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche; 8 bis 15 Wiederholungen pro Übung; ein bis drei Serien pro Übung mit zwei bis vier Minuten Serienpause; vier bis acht Übungen pro Trainingseinheit.
  • Dehnen: 20 bis 60 Sekunden pro Übung, 10 bis 15 Minuten täglich.
  • Gleichgewichtstraining: Verlagerung und Kontrolle des Körperschwerpunkts in Stand und Gang.

Ernährung

  • Der Nachweis, dass Ernährungsgewohnheiten die Inzidenz oder den Verlauf der MS beeinflussen, ist bislang nicht schlüssig gelungen. Dies gilt auch für bestimmte Diäten wie z.B. nach Evers oder Fratzer.
  • Eine spezielle Ernährung bei der MS wird nicht empfohlen.
  • Eine ausgewogene Ernährung nach den Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist demnach zu empfehlen.
  • Es gibt Hinweise, dass sich eine zu hohe Salzaufnahme auf MS-Patienten ungünstig auswirken könnte.
  • Juvenile Adipositas gilt als Risikofaktor für die Entstehung einer MS und ist auch aufgrund der damit assoziierten Komorbiditäten für MS-Patienten ungünstig. Dementsprechend sollte hier durch Bewegung und Ernährungskonzepte entgegengewirkt werden, Kalorienrestriktion (gleich ob Intervallfasten oder regelmäßige Restriktion) hat keine negativen Effekte auf die Erkrankung.
  • Eine zusätzliche Vitaminsubstitution ist nur erforderlich bei nachgewiesenem Vitaminmangel.
  • Für die B-Vitamine und Vitamin C gilt eine höher dosierte Vitaminzufuhr als unbedenklich. Ausnahme ist das Vitamin B6, welches bei Überdosierung neurotoxische Effekte hat und zu einer sensorischen Axonopathie mit sensibler Ataxie führen kann.
  • Bei Vitamin A, E, K und D (fettlösliche Vitamine) muss vor einer zu hohen Aufnahme gewarnt werden, weil diese im Körper akkumulieren können und mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko behaftet sind.
  • In mehreren Studien wurde ein Zusammenhang von Vitamin-D-Stoffwechsel und Multipler Sklerose bzw. Schubrate und MRT-Läsionen beschrieben. Inwiefern eine Vitamin-D-Substitution tatsächlich den Erkrankungsverlauf beeinflussen kann, ist bislang nicht belegt. Eine kontrollierte Studie zur add-on-Therapie von hochdosiertem Vitamin D zu einer Interferon-beta- Gabe hat den primären klinischen Endpunkt nicht erreicht. Eine rezente Auswertung der BENEFIT Studie in Bezug auf kognitive Performance hat allerdings gezeigt, dass Patienten mit höheren Vitamin-D-Spiegeln besser abgeschnitten haben. Daher kann trotz weiterhin fehlender Evidenz zum therapeutischen Einsatz dem Wunsch von Patienten im Hinblick auf eine Vitamin D Substituion auch (im Rahmen der DGE Empfehlungen) nachgekommen werden.

Gegenwärtig kann daher weiterhin keine durchgängige Empfehlung zum therapeutischen Einsatz von Vitamin D im Sinne eines belegten krankheitsmodifizierenden Einflusses gegeben werden. Eine Substitution bei MS-Patienten ist bei erniedrigtem Vitamin-D-Spiegel gerechtfertigt.

Ist eine Vitamin-D-Substitution gewünscht, so sollte diese pragmatisch mit 2.000 IE/Tag (von einigen Fachgesellschaften werden Dosierungen bis 4.000 IE/Tag als unbedenklich angegeben) oder 20.000 IE 1x Woche (Dekristol) durchgeführt werden.

Die DGE empfiehlt als tägliche Zufuhr 800 – 1.000 IE (20 –25 μg). Darunter erreichen > 90% eine Serumkonzentration von > 50 nmol/L.

In Nahrungsmitteln sind folgende Mengen Vitamin D enthalten:

Lebertran1 EL1.360 IE
Lachs, gegart80 g360 IE
Makrele, gegart80 g345 IE
Sardinen in Öl50 g250 IE
Avocado125 g250 IE
Thunfisch in Öl65 g200 IE
  • Eine Sonnenexposition von Gesicht und Händen für täglich zehn Minuten ist in der Regel für eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung genügend.
  • Für Nahrungsergänzungsmittel wie z.B. mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Selen oder Enzymzusätze gibt es keine validen wissenschaftlichen Daten, die einen Nutzen für den Krankheitsverlauf der MS belegen.
  • Insbesondere bei immobilen MS-Patienten mit einem erhöhten Osteoporose- Risiko sollte auf eine ausreichende Kalziumzufuhr geachtet werden, hier ggf. großzügige Kalzium- und mäßige Vitamin-D-Substitution.
  • Es gibt aktuell einige wissenschaftliche Evidenz, dass dem Mikrobiom (und seiner möglichen Beeinflussung durch dietätische Faktoren) eine wesentliche Bedeutung bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen zukommt. Trotz wesentlicher Erkenntnisse zur Rolle des Darms für die Autoimmunität bleibt jedoch die Frage nach einem konkreten Darmkeim, der für die MS mitverantwortlich sein könnte, offen – und es ist auch unsicher, ob diese Frage überhaupt beantwortet werden kann. Auffällig ist, dass alle bisherigen Studien unterschiedliche Veränderungen des Mikrobioms fanden und sich kein einheitliches Muster zwischen unterschiedlichen Kohorten nachweisen ließ. Die meisten Studien gehen zudem über einen rein deskriptiven Ansatz nicht hinaus. Dementsprechend ist es vor dem Hintergrund der Studienlage auch nicht anzuraten, Stuhltransplantationen zur Behandlung der MS anzubieten. Eine solche Maßnahme entbehrt zum jetzigen Zeitpunkt jeder rationalen Grundlage.
  • Die Beeinflussung des Mikrobioms durch die diätetische Anwendung kurzkettiger Fettsäuren (z.B. Propionat) als Nahrungsergänzungsmittel hat in den letzten Jahren durch interessante grundlagenwissenschaftliche Arbeiten ein großes Interesse bei Patienten geweckt. Zu diesem Ansatz existieren noch keine kontrollierten Studien, die Anwendung ist aber als ungefährlich einzustufen.

Rauchen

  • Mittlerweile ist anhand von Studien gut belegt, dass Rauchen in vielerlei Hinsicht einen negativen Einfluss auf die MS hat, so dass ein genereller Verzicht für MS-Patienten nachdrücklich zu empfehlen ist.
  • Raucher haben ein zweifach erhöhtes Risiko der Konversion CIS zu CDMS gegenüber Nichtrauchern.
  • In prospektiven Studien hatten Raucher ein höheres Risiko einer PPMS, schwerere Symptome bei Krankheitsbeginn, ein höheres Risiko der SPMS-Konversion, eine höhere kumulative Läsionslast und eine raschere Hirnatrophie.
  • Die Effekte sind umso ausgeprägter, je früher mit dem Rauchen begonnen wurde.
  • Beendigung des Nikotinkonsums führt zu einer langsameren Krankheitsprogression / Konversion zur SPMS.

Autoren

  • Prof. Dr. Kerstin Hellwig

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum/Neurologische Gemeinschaftpraxis
    Ickerner Str. 56 44581 Castrop Rauxel

  • Prof. Dr. Mathias Mäurer

    Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, Würzburg

  • Dr. Sandra Thiel

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

  • Nadine Bast

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum/Neurologische Gemeinschaftpraxis
    Ickerner Str. 56 44581 Castrop Rauxel

Weitere Informationen unter „Credits“.

Autoren

Prof. Dr. Kerstin Hellwig

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum/Neurologische Gemeinschaftpraxis
Ickerner Str. 56 44581 Castrop Rauxel

Prof. Dr. Mathias Mäurer

Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital, Würzburg

Dr. Sandra Thiel

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

Nadine Bast

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum/Neurologische Gemeinschaftpraxis
Ickerner Str. 56 44581 Castrop Rauxel