MOGAD

Über MOGAD

Hintergrund

Die MOG-Antikörper (MOG-Ak)-assoziierte Enzephalomyelitis (engl. MOG antibody-associated disorder, MOGAD) ist serologisch durch den Nachweis von IgG-Antikörpern gegen das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) gekennzeichnet und wird als eigenständige Krankheitsentität mit distinkten und teils überlappenden klinischen, radiologischen und histopathologischen Merkmalen von den AQP4-IgG-seropositiven Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (engl. Neuromyelitis optica spectrum disorder, NMOSD) sowie der Multiplen Sklerose (MS) abgegrenzt. Die Erkrankung muss insbesondere bei Patienten mit einem NMOSD-Phänotyp, jedoch negativem AQP4-Ak-Serostatus (AQP4-Ak-seronegative NMOSD) als auch bei Patienten mit simultanen bilateralen und/oder rezidivierenden retrobulbären Neuritiden (CRION-Phänotyp) in Erwägung gezogen werden. Sie ist außerdem eine seltene Differentialdiagnose der MS.

Die MOGAD betrifft alle Altersgruppen, kommt im Kindesalter häufiger vor als im Erwachsenenalter und ist durch einen altersabhängigen klinischen Phänotyp gekennzeichnet. Bei Kindern tritt MOGAD häufig als akute demyelinisierende Enzephalomyelitis (ADEM) oder als multifokale ZNS-Manifestation auf. Bei Erwachsenen nimmt die Erkrankung mehrheitlich einen schubförmigen, bei Kindern nicht selten einen monophasischen Verlauf. Analog zur NMOSD und in Abweichung von der MS ist eine schubunabhängige Progression neurologischer Behinderung bei MOGAD untypisch. Daneben kommen, unabhängig vom Lebensalter und anders als bei der MS, stumme MRT-Läsionen in Phasen klinischer Remission nur sehr selten vor. Als weiterer Unterschied zu NMOSD und MS, die präferentiell das weibliche Geschlecht betreffen, kommt die MOGAD gleich häufig bei Männern und Frauen vor. Koinzidentelle Autoimmunerkrankungen sind im Vergleich zur NMOSD seltener, es gibt jedoch Hinweise auf eine seltene Assoziation mit einer anti-NMDAR (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor-Enzephalitis. Inwiefern bei MOGAD das Risiko für eine NMDAR-Enzephalitis im Vergleich zur Normalbevölkerung generell erhöht ist, ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar. Nicht selten können Infekte und Impfungen den Schubsymptomen vorausgehen. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen jedoch keine Daten vor, die eine direkte Assoziation mit einer spezifischen Impfung oder Infektion belegen.

Häufigste Manifestation bei Erwachsenen ist die rekurrierende unilaterale oder in 50 – 60% der Fälle simultane bilaterale Optikusneuritis. Die Optikusneuritis äußert sich häufig als anteriore Optikusneuritis mit begleitendem Papillenödem und kann den Phänotyp einer chronisch rezidivierenden Immunoptikusneuropathie (CRION) annehmen und nach Ende einer hochdosierten Steroidtherapie wieder aufflammen bzw. eine Steroidabhängigkeit aufweisen. Zweithäufigste klinische Präsentation ist die rekurrierende (oder monophasische) Myelitis (in > 60% der Fälle als longitudinal extensive transverse Myelitis [LETM], aber auch kurzstreckige Ausdehnung möglich). Im Vergleich zur AQP4-Ak-positiven NMOSD sind die Myelonläsionen häufiger im Conus medullaris lokalisiert und machen sich dementsprechend häufig durch eine Blasen-/Mastdarm-Entleerungsstörung bemerkbar. Weitere Manifestationen sind Hirnstammenzephalitis und seltener auch zerebelläre und multifokale Manifestationen. Hierzu gehören ADEM-ähnliche zerebrale Symptome (u.a. auch tumefaktive Hirnläsionen) und eine kortikale Meningoenzephalitis mit epileptischen Anfällen, die radiologisch gekennzeichnet ist durch fluid attenuated inversion recovery (FLAIR)-hyperintense kortikale Läsionen (FLAIR hyperintense cortical lesions in MOG associated encephalitis, with seizures, FLAMES). Eine vollständige oder fast vollständige Rückbildung der Läsionen im MRT ist im Gegensatz zur MS und NMOSD häufig und charakteristisch für MOGAD.

Die Prognose gilt im Vergleich zur AQP4-Ak-positiven NMOSD als günstiger, jedoch entwickelt ein beträchtlicher Teil der Betroffenen eine bleibende Behinderung, insbesondere durch visuelle und – in geringerem Umfang – die Mobilität einschränkende Schubresiduen oder durch Blasenfunktionsstörungen. Bei einem Anteil der Patienten, vor allem im Zusammenhang mit ADEM-Episoden, können sich dauerhafte kognitive Defizite entwickeln. Trotz einer oft kompletten Rückbildung der ADEM-Läsionen, können diese Patienten eine Atrophie der tiefen grauen Substanz oder von bestimmten kortikalen Arealen aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit von residualen Defiziten nimmt bei Schüben in höherem Alter zu. Auch das visuelle Outcome nach einer Optikusneuritis (ON) scheint mit dem Alter des Patienten gut zu korrelieren. Trotz einer guten Besserung des Hochkontrast-Visus entwickelt sich nach einer MOGAD-ON oft eine fortgeschrittene und im Vergleich zur MS-ON deutlich ausgeprägtere retinale Atrophie. Basierend auf diesem Parameter ermöglicht die optische Kohärenztomographie eine Differenzierung zwischen MOGAD-ON und MS-ON im akuten und chronischen Stadium mit einer relativ hohen Spezifität.

Zur Erfassung epidemiologischer Daten der MOG-EM/MOGAD-Betroffenen in Deutschland und zur Optimierung der Betreuung dieses seltenen Krankheitsbilds ist eine Kontaktaufnahme mit dem NEMOS-(Neuromyelitis optica Studiengruppe) Register wünschenswert (www.nemos-net.de). Kinder und Jugendliche mit NMOSD können im Rahmen der ESPED-(Erhebungseinheit für seltene pädiatrische Erkrankungen in Deutschland) Studie zur Erfassung der Häufigkeit über die behandelnden Kinderkliniken gemeldet werden (Ansprechpartner für weitere Informationen) und zusätzlich im NEMOS Junior Zentrum in der Jugendklinik Datteln (Kontaktseite) erfasst werden.

Diagnose

Internationale Konsensus-Empfehlungen zur MOG-Antikörper (Ak)-Testung sowie zur Diagnose der MOG-EM/MOGAD wurden erstmals 2018 veröffentlicht (hier frei abrufbar) und 2023 alternative internationale Diagnosekriterien vorgeschlagen (hier frei abrufbar). Beide Kriterien heben die Notwendigkeit einer Testung auf MOG-IgG bei gut selektionierten Patienten, bei denen der begründete V.a. eine MOGAD besteht, hervor. Die Kriterien fassen für MOGAD typische klinische Kernkriterien und supportive Kriterien zusammen, geben Empfehlungen zur MOG-IgG-Testung und beinhalten als drittes Merkmal den Ausschluss alternativer Diagnosen.

Indikationen zur Testung auf MOG-IgG bei Patienten mit akuten demyelinisierenden Erkrankungen sind u.a.:

  • monophasische oder rezidivierende akute Optikusneuritis, insbesondere bei bilateraler Beteiligung und/oder schwerer Visusminderung bzw. Papillenödem
  • monophasische oder rezidivierende akute Myelitis
  • monophasische oder rezidivierende akute Hirnstammenzephalitis/Zerebellitis
  • ADEM
  • zerebrale monofokale oder multifokale Symptome
  • monophasische oder rezidivierende akute Enzephalitis 
  • oder jedwede Kombination dieser Symptome

    und
  • radiologische oder – nur bei Betroffenen mit Optikusneuritis – elektrophysiologische Befunde, die mit einer demyelinisierenden Erkrankung des ZNS vereinbar sind.

Typische paraklinische Befundkonstellationen und Besonderheiten sind u.a.:

  • Papillenödem im Akutstadium einer Optikusneuritis (bei Funduskopie/OCT)
  • fortgeschrittene globale Atrophie der peripapillären Nervenfaserschicht (pRNFLT) im OCT 3-6 Monate später (bleibt pathologisch auch bei Personen mit wieder normalisierter P100-Latenz im VEP)
  • langstreckige Läsionen im vorderen Teil des N. opticus mit charakteristischer perineuraler Kontrastmittelaufnahme (Orbita-MRT)
  • langstreckige Myelonläsionen, inkl. HWS-, BWS-, und Konus-Läsionen, insbesondere bei zentraler Lokalisation und Beteiligung der grauen Substanz (sog. „H-Zeichen“) (spinale MRT)
  • schlecht abgrenzbare größere, teilweise tumefaktive supratentorielle Läsionen in der weißen Substanz bzw. mit Beteiligung der tiefen grauen Substanz (inkl. ADEM-ähnliche Läsionen bei Kindern <10 Jahren) (kraniale MRT)
  • kortikale Läsionen ggf. mit leptomeningealer Beteiligung bei Patientinnen und Patienten mit epileptischen Anfällen (sog. FLAMES, siehe oben) (kranialen MRT)
  • infratentorielle zentral lokalisierte Läsionen im Pons, angrenzend an den 4. Ventrikel oder im mittleren Kleinhirnstiel (häufig bilateral und symmetrisch) (kraniale MRT)
  • zerebrale und spinale T2/FLAIR-Läsionen bilden sich oft im Verlauf ohne Bildung von hypointensen T1-Läsionen komplett oder fast komplett zurück
  • sowohl zerebrale als auch spinale Läsionen können asymptomatisch auftreten
  • die Hälfte bis 2/3 der Patienten haben keine zerebralen Läsionen (isolierte ON und/oder Myelitis) 

Diagnostische Kriterien der MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, nach Banwell et al. 2023 (nähere Erläuterungen siehe Fließtext)

Die Diagnose gilt als gesichert, wenn bei Vorliegen eines der genannten Kernsyndrome serologisch höhertitrige MOG-IgG-Antikörper in einem zellbasierten Assay, der humanes MOG-Protein in voller Länge als Zielantigen verwendet, nachgewiesen werden können (Kommentar siehe unten) und „Red Flags“ sowie das Vorliegen anderer Differentialdiagnosen ausgeschlossen worden sind. Kürzlich wurde bei einer kleinen Subgruppe eine phänotypisch distinkte MOG-IgA-positive und MOG-IgG-negative MOGAD-Variante beschrieben, deren unabhängige Bestätigung jedoch noch aussteht. Eine routinemäßige Testung auf MOG-IgA ist gegenwärtig daher noch nicht zu empfehlen. Dies gilt auch für die MOG-IgG-Testung im Liquor, da die in einigen Studien berichtete intrathekale Produktion von MOG-IgG wegen methodischer Mängel nach wie vor mit Vorsicht zu interpretieren ist. In Einzelfällen kann bei anhaltendem Verdacht auf eine MOGAD eine Bestimmung von MOG-IgG im Liquor erwogen werden.

Zu den „Red Flags“ gehören:

  • Serologie: MOG-IgG am Assay-spezifischen cut-off oder nur eine Titerstufe darüber; MOG-IgG negativ, aber MOG-IgM positiv (unklare Signifikanz); MOG-IgG nur im Liquor positiv; MOG-IgG und AQP4-IgG beide positiv.
  • Klinik: Progredienter Verlauf (wie bei SPMS/PPMS); plötzlicher Beginn (<4h bis Maximum); kontinuierliche Verschlechterung über Wochen.
  •  MRT: Läsion benachbart zum 4. Ventrikel, die ovoid/rund ist oder assoziiert mit inferiorer temporaler Läsion; Dawson-Finger-Läsion; neue asymptomatische T2-Läsionen (Hirn/Rückenmark) zwischen Schüben.
  • Liquor: Bi- oder trispezifische MRZ-Reaktion (d.h. M+Z+, M+R+, R+Z+, oder M+R+Z+).
  • Sonstiges: Klinische oder paraklinische Befunde, die auf andere Diagnose als MOGAD, NMOSD od. MS hinweisen (Neuro-Tuberkulose, Neuroborreliose, Neurosyphilis, Neurosarkoidose, Morbus Behçet, funikuläre Myelose, Leber`sche hereditäre Optikusneuropathie, Vaskulitis, ZNS-Lymphom, Gliomatosis cerebri, paraneoplastisches neurologisches Syndrom, posteriores (reversibles) Enzephalopathie-Syndrom P(R)ES, progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML), andere ZNS-Infektionen); kombinierte zentrale und periphere Demyelinisierung.

Falsch-positive Befunde sind aufgrund der nie hundertprozentigen Spezifität der bisher verfügbaren Assays möglich. Insbesondere bei niedrigen oder grenzwertigen MOG-IgG-Serumtitern und/oder Vorliegen sog. „Red Flags“ ist daher eine Bestätigung des Befundes mit einem unabhängigen zellbasierten Assay oder, falls nicht verfügbar, in einer Folgeprobe unbedingt ratsam, um das Vorliegen falsch-positiver Befunde auszuschließen. Eine routinemäßige Testung auf MOG-IgG bei Patienten mit gesicherter MS wird nur dann empfohlen, wenn mindestens eine der o.g. klinisch/radiologischen Testindikationen vorliegt. Seropositivität für MOG-IgG wurde bei Personen mit MS in 0 – 2.5% der Fälle berichtet. Die Wertigkeit positiver MOG-IgG-Befunde bei mit MS diagnostizierten Personen ist unklar und es muss bedacht werden, dass in diesen Fällen evtl. Patienten mit genuiner MOGAD möglicherweise als MS fehlinterpretiert wurden bzw. unter Umständen falsch-positive Befunde vorlagen. Das in einzelnen Fällen berichtete Vorkommen doppelt-positiver Serumbefunde für MOG-IgG und AQP4-IgG und der Nachweis von MOG-IgG nur im Liquor sind wegen derzeit weiterhin noch unklarer Relevanz und z.T. erheblicher methodischer Mängel der betreffenden Studien nach wie vor gegenwärtig mit Vorsicht zu interpretieren.

Empfohlene Diagnostik

Allgemeine Labordiagnostik

Folgende (Labor)-Untersuchungen sind bei der Ersteinordnung zu empfehlen (obligat):

  • Differenzialblutbild
  • Klinische Chemie mit CRP, Leber- und Nierenwerten, Glucose
  • ANA-Screening, bei positivem Ergebnis Titrierung und weiterführende Differenzierung (ENA, dsDNA)

Diese können durch folgende Untersuchungen ergänzt werden (fakultativ):

  • Anti-Phospholipid-Antikörper, Lupusantikoagulans, β2-Mikrogobulin
  • HSV-, HIV-, HTLV-1-Serologie
  • Borrelia-burgdorferi- und Treponema-pallidum-Serologie
  • Vitamin-B12-Spiegel
  • Holotranscobalamin, Methylmalonsäure
  • Paraneoplastische Antikörper und anti-NMDA-Rezeptorantikörper
  • Lipidstatus, HbA1c
  • Überlangkettige Fettsäuren
  • Kupfer, Zink
  • Manuelles Blutbild und Charakterisierung der Lymphozyten-Subpopulationen
  • Eiweiß-Elektrophorese, Immunfixation Serum
  • Röntgen-Thorax (mit Frage nach bihilärer Lymphadenopathie), ACE, löslicher IL-2 Rezeptor, FDG-PET-Untersuchung mit der Frage nach hypermetabolen Lymphknoten (bei DD Neurosarkoidose) und/oder Tumorerkrankung (ggf. auch Dünnschicht-CT wenn FDG-PET nicht zur Verfügung)
  • Ggf. erweiterte Tumorsuche, insbesondere bei V.a. lymphoproliferative Erkrankung
  • EEG
  • Bei Hinweisen auf eine zusätzliche Erkrankung aus dem rheumatologischen Formenkreis sollten eine weitere Einordnung und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Rheumatologie erfolgen.

Liquordiagnostik

Eine Liquordiagnostik ist obligat und sollte folgende Parameter umfassen:

  • Zellbefund: Zellzahl und -differenzierung
  • Proteinanalytik (in synchron abgenommenen Liquor-Serum-Proben): Gesamtprotein, Albuminquotient, IgG/IgA/IgM-Quotienten, oligoklonale Banden (OKB), MRZ-Reaktion (unbedingt empfohlen)

Im Gegensatz zur MS und ähnlich wie bei der NMOSD gelingt bei MOGAD der Nachweis von OKB im Liquor deutlich seltener und in nur 10 – 20 % der Fälle (und evtl. nur transient). Die MRZ-Reaktion (Antikörperindizes gegen Masern, Röteln, Zoster) ist in der Regel negativ (eine positive MRZ-Reaktion gilt als ‚Red Flag‘ und sollte immer zu einer Überprüfung des positiven MOG-Ak-Befundes, idealerweise mittels eines zweiten, methodisch abweichenden zellbasierten Assays, Anlass geben). In der Liquorzytologie finden sich analog zur NMOSD insbesondere im Schub oft auch Granulozyten und die Pleozytose kann stärker als bei der MS ausgeprägt sein (mit Zellzahlen > 50/µl bis > 100/µl). Bei einem Teil der Patienten mit MOGAD wurde eine Liquordruckerhöhung beschrieben, die bei entsprechender Symptomatik kontrolliert werden soll. Im Falle einer bilateralen Optikusneuritis mit Papillenödem und einer Liquordruckerhöhung besteht das Risiko einer Fehldiagnose einer idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH). Bei diagnostischer Unsicherheit sollte eine MOG-IgG-Testung im Serum sowie eine gezielte, kontrastmittelgestützte cMRT inklusive dünnschichtiger Orbita-Aufnahmen erfolgen.

Bestimmung der MOG-Antikörper

Die Bestimmung der MOG-Ak muss obligat mittels eines zellbasierten Assays (cell-based assay, CBA; Zielantigen: humanes Voll-Längen-MOG-Protein, exprimiert in fixierten oder lebenden Testzellen) erfolgen und bei unklarem Ergebnis bzw. anhaltendem Verdacht ggf. wiederholt und validiert werden. Standard ist die Testung auf Antikörper der IgG-Klasse, eine routinemäßie Testung auf MOG-IgA ist gegenwärtig nicht empfohlen. Die Probenentnahme sollte möglichst vor Beginn einer Schubtherapie mit Hochdosis-Steroiden oder einem Plasmaaustauschverfahren erfolgen. Zellbasierte Assays, die Formalin-fixierte MOG exprimierende Testzellen verwenden („fixed CBA“), sind leichter zu standardisieren und breit verfügbar. Dagegen sind Assays, bei denen lebende, MOG-IgG exprimierende Testzellen zum Einsatz kommen und die in einigen Studien hinsichtlich Sensitivität und Spezifität den „fixed CBA“ überlegen erscheinen, bislang nur in Speziallaboratorien möglich. Früher eingesetzte peptidbasierte ELISA-, RIA- und Western-Blot-Tests gelten als obsolet. Niedrige oder grenzwertige Serumtiter sollten mit Vorsicht interpretiert und bestätigt werden. MOG-Ak werden vornehmlich extrathekal produziert. Ob eine Testung von MOG-IgG im Liquor in ausgewählten seronegativen Fällen mit einer MOGAD-typischen klinischen Präsentation zu einer Verbesserung der diagnostischen Sensitivität führen könnte, ist derzeit wegen methodischer Mängel der betreffenden Studien weiterhin noch kontrovers und Gegenstand der Diskussion. In Einzelfällen kann bei anhaltendem Verdacht auf eine MOGAD eine Bestimmung von MOG-IgG im Liquor erwogen werden.

Therapie

Bisherige Fallserien haben gezeigt, dass MOG-Ak-assoziierte Erkrankungsschübe auf hochdosierte Steroidgaben und auf Plasmapherese (PE) oder Immunadsorption (IA) ansprechen. Möglicherweise ist auch eine Therapie mit IVIg wirksam und kann insbesondere bei Kindern und in der Schwangerschaft erwogen werden. Die Schubtherapie sollte so rasch wie möglich begonnen und bei unzureichender Besserung auf Steroide und relevanter Residualsymptomatik unverzüglich mittels PE oder IA eskaliert werden. Bisher liegen jedoch keine randomisierten Studien zu Eskalationsstrategien vor. Häufiger als bei MS und bei AQP4-Ak-positiver NMOSD sind die Schubsymptome deutlich steroidabhängig, weshalb nach einem Hochdosissteroidpuls eine (ggf. prolongierte) orale Ausschleichphase erfolgen sollte, insbesondere auch dann, wenn eine Langzeit-Immuntherapie geplant ist. Die Datenlage hierzu ist jedoch nicht ganz einheitlich. In einer kürzlich erschienenen retrospektiven Analyse wurde eine langfristige Reduktion des Schubrisikos bei Patienten mit einer peroralen Prednisolontherapie von > 12,5 mg pro Tag über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten nach dem Schubereignis gezeigt. Auch bei Kindern gibt es Hinweise, dass eine ausschleichende Steroidbehandlung das Risiko für Frührezidive vermindert. Zum Einsatz einer frühzeitigen Plasmapherese bzw. Immunadsorption vor oder parallel zur hochdosierten Steroidgabe analog zur klassischen AQP4-Ak-positiven NMOSD liegen bislang keine ausreichenden Daten vor. In einer retrospektiven NEMOS-Analyse führte die Anwendung der Apherese als Erstlinien-Therapie zu einem besseren Ergebnis im Vergleich zur späteren 2nd/3rd Line Apherese.


Zu welchem Zeitpunkt bei MOGAD eine Langzeit-Immuntherapie begonnen werden soll, ist derzeit nicht präzise definiert, da die Datenlage hierzu noch unzureichend ist. In einer aktuellen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass das Auftreten von frühen erneuten Schüben innerhalb des ersten Jahres nach Erstmanifestation mit einem erhöhten Risiko für weitere Erkrankungsschübe einhergeht. In weiteren retrospektiven Langzeitbeobachtungen waren das Rezidivrisiko über 8 Jahre insbesondere nach einer Optikusneuritis als Erstmanifestation, bei Frauen und bei jüngeren Patienten (< 18-40 Jahre) sowie bei Patienten, die nicht nach dem ersten Schub präventiv behandelt wurden, erhöht.


Bislang gibt es keine zugelassenen Therapie für eine Langzeittherapie der MOGAD. Es liegen nur Daten aus retrospektiven Fallserien oder Studien vor. Diese weisen darauf hin, dass Immuntherapien (v.a. Azathioprin, Mycophenolat Mofetil, Rituximab) sowie hochdosierte intravenöse Immunglobuline wirksam zur Stabilisierung der Erkrankung und Verhinderung weiterer Erkrankungsschübe sein können. Zu beachten ist die unter Umständen ausgeprägte Steroidabhängigkeit bezüglich erneuter Schubaktivität, so dass generell bis zum Wirkeintritt einer präventiven Immuntherapie eine überlappende orale Steroidtherapie empfohlen wird. Für Rituximab sind ebenfalls günstige, aber – im Gegensatz zur AQP4-Ak-positiven NMOSD – teilweise auch nicht ausreichende Therapieeffekte, beschrieben. Bislang konnte kein Zusammenhang zwischen Repopulation der CD19/CD20+ B-Lymphozyten und Schubaktivität unter Rituximab-Therapie bei MOGAD gezeigt werden. Zudem gibt es zunehmende Evidenz aus Fallserien, dass auch eine IVIG-Therapie und eine gegen den löslichen und membrangebundenen IL-6-Rezeptor (IL-6R) gerichtete Therapie mit Tocilizumab positive Effekte auch bei Therapie-refraktären Fällen zeigen und zum Einsatz kommen können. Die Wahl der initialen Immuntherapie richtet sich u.a. nach Ausprägung der klinischen und kernspintomographischen Befunde, Zeitpunkt der therapeutischen Wirkung, Begleiterkrankungen sowie Verträglichkeits- und Nebenwirkungsprofil, Alter und Familienplanung.


Falls unter der initialen Immuntherapie weiterhin Schübe auftreten, ist ein Wechsel auf ein anderes Therapieprinzip sinnvoll. Bei sehr schweren Verläufen kommen auch Kombinationstherapien in Betracht.

Erste multizentrische, randomisierte und Plazebo-kontrollierte Studien in der Indikation MOGAD werden durchgeführt. Geprüft werden der IL-6R-Hemmstoff Satralizumab, der gegen den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) gerichtete IgG4-Ak Rozanolixizumab sowie außerdem in einer nationalen französischen Studie Azathioprin. Ergebnisse liegen noch nicht vor (Stand 05.2025).

Da es sich bei den empfohlenen Therapien um einen off-label Gebrauch handelt und wie alle Therapien auch Immuntherapien mit Risiken einhergehen, sollte vor Einleitung einer Behandlung ein ausführliches und dokumentiertes Aufklärungsgespräch erfolgen und die Patienten über potentielle Nebenwirkungen (u.a. allergische Reaktion, schwere Infektionen, progressive multifokale Leukenzephalopathie [PML]) umfangreich informiert werden. Beim Einsatz von off-label Therapien soll die betroffene Person darüber aufgeklärt und dies dokumentiert werden bzw. ein schriftliches Einverständnis dieser vorliegen. Vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie gilt es, aktive oder chronische Infektionen zu erfassen (u.a. HIV, Hepatitiden, Tuberkulose). Ebenso ist es obligat, den aktuellen Impfstatus zu ermitteln und über die entsprechenden Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) aufzuklären (siehe Empfehlungen zu Impfungen bei immunsupprimierten Personen). Die Empfehlungen der STIKO müssen unter individuellen Nutzen-Risiko-Betrachtungen umgesetzt werden.


Bzgl. der Dauer der präventiven Immuntherapie kann keine klare Empfehlung gegeben werden. Bei Kindern gilt die Empfehlung, nach einer Schubfreiheit von mindestens 2 Jahren die begonnene Therapie auszuschleichen. Bei Erwachsenen gibt es Überlegungen, entsprechend Expertenmeinung eine Immuntherapie bei stabiler Erkrankung frühestens nach 3-5 Jahren zu beenden. In einer aktuellen französischen Arbeit hatten 28 Betroffene nach Beendigung der präventiven Immuntherapie im Median über 3 Jahre bislang keinen weiteren Erkrankungsschub.


In verschiedenen Studien wurde sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen ein niedriges Rezidivrisiko beschrieben, sofern im Krankheitsverlauf eine Reversion zu negativen Serumtitern stattfindet. Jedoch gilt zu beachten, dass die Seroreversion transient sein kann. d.h. MOG-IgG-Serumtiter spontan oder therapieinduziert nur vorübergehend unter die Nachweisgrenze des betreffenden Assays absinken können, sodass, wenn Therapieentscheidungen auf eine beobachtete Seroreversion gestützt werden, weiterhin regelmäßige Titerkontrollen erforderlich sind.

Auch die an bisher wenigen oder einzelnen Patienten mit MOGAD erhobene Datenlage hat gezeigt, dass einige der für MS eingesetzten Intervalltherapien unwirksam sind oder sogar den Krankheitsverlauf verschlechtern können. Entsprechend ungünstige Erfahrungen für Verschlechterung bzw. fehlende Wirksamkeit existieren bislang für Interferon-beta, Glatirameroide und Alemtuzumab. Daher sind diese Präparate bei MOGAD nicht zu empfehlen. Bei Personen, bei denen der Verdacht auf eine MOGAD besteht, diese aber nicht eindeutig von einer MS abgegrenzt werden kann, sollten diese MS-Medikamente ebenfalls nicht zum Einsatz kommen.

Autoren

  • PD Dr. Ilya Ayzenberg

    Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

  • Dr. Vivien Häußler

    Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

  • Prof. Dr. Ingo Kleiter

    Marianne-Strauß-Klinik, Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose Kranke gGmbH, Berg

  • Prof. Dr. Corinna Trebst

    Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover

  • Prof. Dr. Brigitte Wildemann

    Neurologische Klinik, Universität Heidelberg

Weitere Informationen unter „Credits“.

Autoren

PD Dr. Ilya Ayzenberg

Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum

Dr. Vivien Häußler

Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Prof. Dr. Ingo Kleiter

Marianne-Strauß-Klinik, Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose Kranke gGmbH, Berg

Prof. Dr. Corinna Trebst

Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover

Prof. Dr. Brigitte Wildemann

Neurologische Klinik, Universität Heidelberg