Indikation
Siponimod (Mayzent®) ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator, der von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in Deutschland seit 01/2020 zur Therapie der sekundär progredienten Multiplen Sklerose mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, zugelassen ist. Diese Indikation erfolgte vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorliegenden Zulassungsstudie EXPAND.
Zeichen für eine klinische oder kernspintomografische Erkrankungsaktivität sind wie folgt definiert:
- aufgelagerte Schübe innerhalb der letzten zwei Jahre
- MRT-Aktivität mit neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen und / oder kontrastmittelaufnehmenden Läsionen in einem aktuellen MRT (maximal drei Monate alt). In der Zulassungsstudie EXPAND konnte aufgrund des Studiendesigns nur das Vorliegen von kontrastmittelaufnehmenden Läsionen bei Baseline berücksichtigt werden. Das KKNMS empfiehlt, ebenfalls neue oder sich vergrößernde T2-Läsionen im Vergleich zu Voraufnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre als MRT-Aktivität zu werten.
In den USA ist Siponimod für das klinisch isolierte Syndrom (CIS), die schubförmige Multiple Sklerose (RRMS) und die aktive sekundär progrediente Multiple Sklerose (aSPMS) zugelassen. Es liegen zu Siponimod keine Studiendaten für das CIS vor. In einer Phase-II-Studie bei Patienten mit RRMS (BOLD) reduzierte Siponimod (2 mg) die Anzahl aktiver MRT-Läsionen und die jährliche Schubrate um ungefähr zwei Drittel.
Kontraindikationen
Eine absolute Kontraindikation besteht bei …
- … Patienten mit Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris, Schlaganfall, transitorisch ischämischer Attacke, dekompensierter Herzinsuffizienz (stationäre Behandlung erforderlich) oder New York Heart Association (NYHA) Klasse III-/IV-Herzinsuffizienz in den vorhergehenden sechs Monaten.
- … anamnestisch bekanntem Sick-Sinus-Syndrom, bei sinuatrialem Block, bei AV-Block II° (Typ Mobitz 2) und bei AV-Block III° (außer der Patient hat einen Herzschrittmacher).
- … Patienten, die mit Antiarrhythmika der Klassen Ia (z.B. Chinidin, Procainamid) oder III (z.B. Amiodaron, Sotalol, cave: Induktion von Torsades de Pointes) behandelt werden.
- … Patienten, die mit negativ chronotropen Calciumantagonisten (Verapamil, Diltiazem, Ivabradin) oder mit anderen bradykardisierenden Substanzen (Digitalis-Präparate, Cholinesterase-Inhibitoren, Pilocarpin) behandelt werden (cave: schwere Bradykardien). Für Betablocker siehe Handlungsanweisungen unter „Kardiologische Diagnostik“.
- … Patienten mit schweren aktiven Infektionen und Patienten mit chronischen Infektionen (insbesondere Hepatitis B und C und Tuberkulose).
- … immundefizienten Patienten.
- … anamnestisch bekannter Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie oder Kryptokokkenmeningitis.
- … Patienten mit aktiven malignen Erkrankungen.
- … schwerer Leberinsuffizienz (Child-Pugh C).
- … Schwangerschaft und während der Stillzeit.
- … Patienten mit der Anamnese eines hämophagozytischen Syndroms (synonym: Hämophagozytische Lymphohistiozytose, HLH) oder einer hiermit assoziierten Mutation.
- … Patienten mit einem CYP2C9*3 /*3 Genotyp.
Eine relative Kontraindikation besteht bei …
- … Patienten mit schwerer Atemwegserkrankung, Lungenfibrose oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung. Bei ihnen sollte Siponimod nur mit besonderer Vorsicht angewendet werden.
- … mittelschwerer Leberinsuffizienz (Child-Pugh B). In diesen Fällen sollte Siponimod nur mit besonderer Vorsicht angewandt werden.
- … Patienten mit Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris, Schlaganfall, transitorisch ischämischer Attacke, dekompensierter Herzinsuffizienz (stationäre Behandlung erforderlich) oder New York Heart Association (NYHA) Klasse III-/IV-Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte (> sechs Monate), unbehandeltem Bluthochdruck, anamnestisch bekannter symptomatischer Bradykardie oder wiederkehrenden Synkopen oder schwerer Schlafapnoe. Eine kardiologische Vorstellung vor Therapiestart wird empfohlen.
- … folgenden Patienten: Siponimod wurde nicht bei Patienten mit signifikanter QTc-Verlängerung von > 500 ms untersucht oder bei gleichzeitiger Behandlung mit Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern. Eine kardiologische Vorstellung vor Therapiestart wird empfohlen.
- … Patienten mit Makulaödem in der Vorgeschichte. Wegen der erhöhten Inzidenz eines Makulaödems ist in diesem Zusammenhang bei Diabetikern und Patienten mit einer Uveitis in der Anamnese besondere Vorsicht geboten.
- … Patienten mit Basaliomen oder anderen malignen Neoplasien der Haut in der Vorgeschichte.
Dosierung
Siponimod ist als Filmtablette in 0,25 mg (12 oder 84 Tabletten) und 2 mg (28 Tabletten) erhältlich. Um die Dosierung individuell anzupassen, ist vor Beginn einer Therapie mit Siponimod die Bestimmung des Metabolisierungsstatus durch eine Testung des CYP2C9-Genotyps notwendig. Die Duchführung der genetischen Untersuchung setzt eine gesonderte, schriftliche Aufklärung und Einwilligung des Patienten voraus. Diese Aufklärung kann durch jeden Arzt erfolgen (d.h., es ist keine spezielle zusätzliche Qualifikation nötig).
Hierbei liegt in der kaukasischen Bevölkerung bei ca. 10% der Patienten ein Polymorphismus vor, der zu einer mittelschnellen Metabolisierung (intermediate metabolizer) führt. Bei ca. 0,5% der Patienten liegt eine langsame Metabolisierung (slow metabolizer) vor.
- Bei Patienten mit CYP2C9*1 /*1, *1 /*2 oder *2 /*2 Genotyp (normale Metabolisierung) wird Siponimod mit 2 mg einmal täglich verabreicht.
- Bei Patienten mit CYP2C9*1 /*3 oder *2 /*3 Genotyp (intermediate metabolizer) wird Siponimod mit 1 mg (4 Tabletten a 0,25 mg) einmal täglich verabreicht.
- Bei Patienten mit CYP2C9*3 /*3 Genotyp (slow metabolizer) ist Siponimod kontraindiziert.
Die Tablette kann mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Weitere Dosisanpassungen nach Gewicht, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit müssen nicht vorgenommen werden. Bei leichter Leberinsuffizienz sind keine Anpassungen der Dosis notwendig.
Eindosierung
Siponimod wird nach folgendem Schema bis zur jeweiligen Zieldosis eindosiert.
Tag 1 | Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5 | Tag 6 | |
CYP2C9*1 /*1, *1 /*2 oder *2 /*2 | 0,25 mg | 0,25 mg | 0,50 mg | 0,75 mg | 1,25 mg | 2,00 mg |
CYP2C9*1 /*3 oder *2 /*3 | 0,25 mg | 0,25 mg | 0,50 mg | 0,75 mg | 1,25 mg | 1,00 mg |
Hieraus ergibt sich folgendes Einnahmeschema (Tag 1 bis Tag 5 definiert Anzahl der 0,25 mg Tabletten):
Tag 1 | Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5 | Tag 6 | |
CYP2C9*1 /*1, *1 /*2 oder *2 /*2 | 1 | 1 | 2 | 3 | 5 | 1 x 2 mg Tablette |
CYP2C9*1 /*3 oder *2 /*3 | 1 | 1 | 2 | 3 | 5 | 1 x 1 mg Tablette |
Eindosierungsphase
Wenn eine Titrationsdosis für mehr als 24 Stunden verpasst wurde, ist ein Wiederbeginn bei Tag 1 nötig.
Einnahmephase nach Erreichen der Zieldosis
Wenn Siponimod über vier oder mehr Tage am Stück nicht eingenommen wurde, ist eine erneute Eindosierung nötig.
Pharmakokinetik
- Der maximale Plasmaspiegel nach Einnahme von Siponimod wird nach ungefähr vier Stunden erreicht.
- Nach dem oben genannten Auftitrationsschema wird die Zieldosis von 2 mg ab dem sechsten Tag erreicht. Die Steady-State-Konzentration von Siponimod wird nach weiteren vier Tagen (zehn Tage nach Beginn der Therapie) erreicht.
- Siponimod wird hauptsächlich über CYP2C9 (79,3%), gefolgt von CYP3A4 (18,5%) metabolisiert und biliär / fäkal ausgeschieden. Siponimod wird nicht renal aus dem Körper eliminiert.
- Aufgrund der hohen Plasmaproteinbindung (> 99,9%) ist kein Einfluss von Dialyse oder Plasma-Austausch auf Siponimod zu erwarten.
- Es liegen keine Daten darüber vor, ob Siponimod in die Muttermilch übergeht. (In Tierstudien wurde Siponimod in der Muttermilch von Ratten nachgewiesen.)
Pharmakodynamik
- Siponimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator mit einer hohen Affinität an zwei von fünf Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptoren, S1P1 und S1P5.
- Siponimod blockiert die Fähigkeit von Lymphozyten, aus den Lymphknoten auszuwandern, und reduziert dadurch die Zahl der Lymphozyten im peripheren Blut.
- Im peripheren Blut fällt die Lymphozytenkonzentration innerhalb von sechs Stunden nach Erstgabe ab und erreicht einen medianen Nadir von ca. 560/μl (ca. 20 – 30% des Baseline-Werts).
- Die Lymphozyten kehren bei 90% der Patienten innerhalb von zehn Tagen nach Therapieende in den Normalbereich zurück. In Einzelfällen können die Effekte auf das Immunsystem (Reduktion der Lymphozytenzahl) auch drei bis vier Wochen oder länger anhalten.
- Siponimod überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Die Bedeutung der Wirkung von Siponimod auf Parenchymzellen des zentralen Nervensystems und auf eingewanderte Immunzellen innerhalb des ZNS-Kompartiments ist noch nicht vollständig geklärt.
Diagnostik || vor Therapiebeginn
Anamnese und klinische Untersuchung zu möglichen Kontraindikationen
Durch eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sollte gezielt nach dem Vorliegen möglicher Kontraindikationen gesucht werden. Anamnese und Untersuchung müssen detailliert dokumentiert werden (obligat).
CYP2C9-Genotypbestimmung
Eine Bestimmung des CYP2C9-Genotyps ist obligat, um eine Klassifikation in eine der folgenden drei Gruppen vornehmen zu können:
- 2 mg/Tag: CYP2C9*1 /*1, *1 /*2 oder *2 /*2
- 1 mg/Tag: CYP2C9*1 /*3 oder *2 /*3
- Kontraindiziert: CYP2C9*3 /*3
Labor-Basisprogramm
- Routinelaborparameter: Die Bestimmung von Blutbild, Differenzialblutbild und Leberwerten (GOT, GPT, GGT, Bilirubin) ist obligat.
Ein zellulärer Immunstatus (Lymphozytentypisierung: CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, CD19+-B-Zellen und NK-Zellen) und humoraler Immunstatus (IgG- / IgM-Level) kann fakultativ erhoben werden. - Entzündungs- und Infektionsparameter: Vor Beginn der Therapie mit Siponimod müssen akute Entzündungen (CRP, BSG, Urinstatus) und chronisch aktive bakterielle und virale Infektionen ausgeschlossen werden (obligat). Eine VZV-Serologie ist obligat, die Durchführung einer Hepatitis-B- und -C-, sowie HIV-Serologie ist empfehlenswert (fakultativ). Zur Durchführung der HIV-Serologie ist eine Einverständniserklärung des Patienten erforderlich. Bei Verdacht auf Tbc in der Vorgeschichte oder bei Personen mit erhöhter individueller Risikosituation muss ein TB-Test (z.B. Quantiferon-Test, T Spot-Test) durchgeführt werden (obligat). Bei positivem Testergebnis muss die Gefahr einer Tbc-Reaktivierung abgeklärt werden (Röntgen-Thorax und ggf. weitere Diagnostik) (obligat).
- Impfstatus: Bei den Patienten sollen die jeweils gültigen Impfempfehlungen der STIKO für Patienten unter immunsuppressiver Therapie vor Therapiebeginn durchgeführt bzw. aufgefrischt werden. Ggf. ist der Impferfolg mittels Titerkontrolle zu überprüfen (fakultativ). Bei VZVseronegativen Patienten muss eine Impfung gegen VZV durchgeführt werden (Lebendimpfstoff) (obligat). Die Behandlung mit Siponimod kann frühestens vier Wochen nach Durchführung der Impfung begonnen werden.
Neben einem Lebendimpfstoff ist seit 12/2018 zusätzlich ein Herpes-Zoster Totimpfstoff (Shingrix) zugelassen. Die Zulassung besteht zur Vorbeugung von Herpes Zoster (HZ) und Post-Zoster-Neuralgie bei Erwachsenen älter als 50 Jahre. Laut Fachinformation ist Shingrix nicht indiziert zur Vorbeugung einer primären Varizelleninfektion. Aktuell liegen hierzu nur unzureichende Erfahrungen vor, so dass weiterhin eine Lebendimpfung für MS-Patienten vor der Behandlung mit Fingolimod / Siponimod empfohlen wird.
- Schwangerschaftstest: Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter muss ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen über die Notwendigkeit einer zuverlässigen Verhütungsmethode während der Behandlung mit Siponimod bis mindestens 10 Tage nach Beendigung der Einnahme aufgeklärt werden (obligat).
Radiologische Diagnostik
Ein Ausgangs-MRT des Schädels ggf. mit Kontrastmittel muss vor Behandlungsbeginn mit Siponimod für eine korrekte Indikationsstellung (bei Abwesenheit von Schubaktivität innerhalb der letzten 2 Jahre) und als Ausgangsbefund für den weiteren Therapieverlauf vorliegen (nicht älter als drei Monate) (obligat).
Verschiedene Publikationen beschreiben Ablagerungen bzw. Signalveränderungen in speziellen Hirnarealen nach mehrmaligen Kontrastmittelgaben. Ein Krankheitsbild oder Symptome sind auf diese jedoch bislang nicht zurückzuführen. Das KKNMS empfiehlt, bei der Diagnosestellung einer MS weiterhin gadoliniumhaltige Kontrastmittel einzusetzen, um die Diagnose nicht zu verzögern und ein aussagekräftiges, standardisiertes Ausgangs-MRT zu erzielen. Im Krankheitsverlauf kann dann auf die Kontrastmittelgabe verzichtet werden, solange kein klinischer Anhaltspunkt für einen Krankheitsprogress vorliegt und wenn leitliniengerechte MRT-Kontrollen unter Therapie routinemäßig durchgeführt werden.
Kardiologische Diagnostik
Ein aktuelles 12-Kanal-EKG (idealerweise nicht älter als eine Woche) muss bei Behandlungsbeginn zum Ausschluss höhergradiger AV-Blockierungen oder weiterer kardialer Kontraindikationen (s.o.) vorliegen (obligat). Bei unauffälligem EKG und unauffälliger Anamnese bezüglich kardiologischer Ereignisse ist ein Therapiestart gemäß obigem Titrationsschema ohne weitere Überwachung möglich.
Nach Einnahme der ersten Siponimod Tablette startet die Abnahme der Herzfrequenz nach 1 Stunde und erreicht am 1. Tag ihr Maximum nach ungefähr 3 – 4 Stunden. Mit weiterer Auftitrierung erreicht die Reduktion der Herzfrequenz an Tag 5 – 6 ihr Maximum, bevor sie danach wieder ansteigt und an Tag 10 das Level der Placebo-Gruppe erreicht. Die höchste absolute Reduktion wird am 1. Tag beobachtet (im Mittel um 5 – 6 Schläge pro Minute), mit geringerer absoluter Abnahme an den Folgetagen.
In EXPAND trat eine Bradykardie bei 4,4% der Siponimod-Patienten im Vergleich zu 2,9% der Placebo-Patienten auf. Patienten mit Bradykardie waren in der Regel asymptomatisch. Einige Patienten verspürten Symptome (Schwindel, Müdigkeit), die sich ohne Intervention in der Regel nach 24 Stunden zurückbildeten. Ein neu aufgetretener AV-Block I° trat in 5,1% der Siponimod-Patienten (versus 1,9% der Placebo-Patienten) auf. AV-Blöcke II° (überwiegend Typ Mobitz 1) traten bei 1,7% der Siponimod-Patienten auf. Erregungsüberleitungsstörungen waren ebenfalls typischerweise asymptomatisch und bildeten sich innerhalb von 24 Stunden zurück, ohne das ein Absetzen der Therapie erforderlich war.
Generell sei auf die kardial bedingten Kontraindikationen verwiesen (durch Medikamente oder Herzrhythmusstörungen, siehe unter „Kontraindikationen“). Darüber hinaus darf bei folgenden Patienten die Ersteinstellung auf Siponimod nur in Zentren erfolgen, die ein EKG-Monitoring über 24 Stunden und eine kardiologische Versorgung bei Komplikationen sicherstellen können (obligat):
- Sinusbradykardie (Herzfrequenz < 55/min)
- Anamnestisch bekannter AV-Block I° oder II° (Typ Mobitz 1)
- anamnestisch bekannter Myokardinfarkt oder instabile Angina pectoris
- anamnestisch bekannte Herzinsuffizienz (NYHA Klasse I – II)
Diese Patienten sollten für den Zeitraum von sechs Stunden nach Einnahme der ersten Siponimod Tablette mittels kontinuierlicher EKG-Ableitung auf Symptome einer Bradykardie überwacht werden (fakultativ). Blutdruck und Herzfrequenz sind stündlich zu kontrollieren (obligat). Am Ende des Überwachungszeitraums ist erneut ein 12-Kanal-EKG anzufertigen (obligat).
Falls nach der sechsstündigen Monitoringphase eine der folgenden Auffälligkeiten vorliegt, verlängert sich der Überwachungszeitraum bis zur Rückbildung der Auffälligkeiten:
- Herzfrequenz < 45/min
- niedrigster gemessener Wert am Ende des Überwachungszeitraums (deutet daraufhin, dass der maximale kardiale Effekt noch nicht erreicht ist)
- neu aufgetretener AV-Block II°/III°
- QTc-Intervall > 500 ms
Wenn eine pharmakologische Behandlung (z.B. mit Atropin oder Orciprenalin) erforderlich war, sollte die Überwachung über Nacht fortgesetzt werden und die sechsstündige Überwachung auch nach der zweiten Dosis wiederholt werden.
Besondere Vorsicht sollte bei Patienten, die eine stabile Dosierung eines Betablockers erhalten, angewandt werden, da additive Effekte auf die Herzfrequenzreduktion auftreten können. Gegebenenfalls ist (insbesondere bei einer Ruhefrequenz < 50/min) eine Unterbrechung der Therapie mit dem Betablocker anzuraten, bis Siponimod auf die Zieldosis auftitriert wurde. Eine kardiologische Rücksprache ist anzuraten.
Ophthalmologische Untersuchungen
Bei Risikopatienten für ein Makulaödem (Patienten mit Diabetes mellitus, Uveitis oder vorbekannter Retinaerkrankung) muss bereits vor Behandlungsbeginn mit Siponimod eine ophthalmologische Untersuchung durchgeführt werden (obligat).
Ein Makulaödem wurde in 1,8% der mit Siponimod behandelten Patienten im Vergleich zu 0,2% der mit Placebo behandelten Patienten beobachtet. Die meisten Fälle von Makulaödem unter Siponimod-Therapie traten während der ersten drei bis vier Behandlungsmonate auf. MS-Patienten mit einer Uveitis oder einem Diabetes Mellitus in der Vorgeschichte zeigten eine erhöhte Inzidenz von 10% für ein Makulaödem.
Dermatologische Untersuchungen
Bei Risikopatienten für kutane Neoplasien sollten Präkanzerosen der Haut im Rahmen einer dermatologischen Untersuchung ausgeschlossen werden (fakultativ). Patienten sollten vor ungeschützter Exposition gegenüber Sonnenstrahlung gewarnt werden und keine gleichzeitige Phototherapie mit UVB-Strahlung oder PUVA-Photochemotherapie erhalten (fakultativ).
Unter der Therapie mit dem Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator Fingolimod stellen Hauttumore, insbesondere Basalzellkarzinome, aber auch andere Neoplasien der Haut, eine bekannte Nebenwirkung dar. In klinischen Studien zu Siponimod wurde keine erhöhte Rate an Basalzellkarzinomen oder anderen kutanen Neoplasien beobachtet.
Pulmonologische Untersuchungen
Bei Auftreten von Symptomen, die auf eine pulmonologische Störung hinweisen, muss eine fachärztliche Untersuchung (inklusive Spirometrie und Bestimmung der Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität [DLCO]) erfolgen (obligat).
Unter Siponimod wurde eine dosisabhängige Reduktion von FEV1-Werten (forced expiratory volume over 1 second) innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsbeginn beobachtet. In Studien brachen fünf Patienten eine Therapie mit Siponimod wegen einer reduzierten Lungenfunktion ab. Es liegen keine Daten über eine Reversibilität der FEV1-Reduktion nach Absetzen von Siponimod vor.
Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken
Eine standardisierte Aufklärung mit schriftlicher Einwilligungserklärung zur Therapie muss vorliegen (obligat). Über mögliche Siponimod-spezifische Nebenwirkungen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen muss aufgeklärt werden. Hierbei muss insbesondere auf folgende Aspekte eingegangen werden:
- Sinusbradykardie und AV-Block I° oder II° (Typ Mobitz 1), Herzrhythmusstörungen
- Hypertonie
- Makulaödem
- Störung der Lungenfunktion
- Potentiell erhöhtes Infektionsrisiko
- Epileptische Anfälle
- Maligne Vorerkrankungen, insbesondere der Haut
- Notwendigkeit einer zuverlässigen Verhütungsmethode vor Therapiebeginn (negativer Schwangerschaftstest!) und das schwerwiegende Risiko für das ungeborene Kind
VORTHERAPIEN || Abstand und Maßnahmen
Behandlungsnaive Patienten
Es ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.
Vorbehandlung mit Interferon-beta oder Glatirameracetat
Ein Sicherheitsabstand ist nicht notwendig. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) oder auf die Leberfunktion sollten abgeklungen sein. Es ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.
Vorbehandlung mit Dimethylfumarat/Diroximelfumarat
Ein Sicherheitsabstand ist nicht notwendig. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Blutbild (z.B. Zytopenie) sowie auf die Leber- / Nierenwerte sollten jedoch abgeklungen sein. Andernfalls ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.
Vorbehandlung mit Teriflunomid
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von mindestens vier Wochen einzuhalten. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein. Wegen der langen Eliminationshalbwertszeit ist ein Auswaschen der Substanz vor Umstellung notwendig. Es ist keine weitere Zusatzdiagnostik über die o.g. Maßnahmen hinaus nötig.
Vorbehandlung mit Fingolimod, Ozanimod oder Ponesimod
Die Umstellung von einem S1P-Rezeptor-Modulator auf einen anderen ist nicht ausreichend getestet worden. Bei mangelnder Wirksamkeit ist eine Umstellung auf ein Medikament der gleichen Substanzklasse nicht zu empfehlen. Bei einer Umstellung wegen mangelnder Verträglichkeit, sollte ein Sicherheitsabstand von vier bis sechs Wochen eingehalten werden, um Kumulationseffekte zu vermeiden. Der neue S1P-Rezeptor-Modulator ist dann nach den Vorgaben der Fachinformation einzudosieren.
Aufgrund der ähnlichen Pharmakodynamik durch Besetzung von S1P-Rezeptoren erscheint eine direkte Umstellung von einem S1P-Rezeptor-Modulatoren auf einen anderen möglich – klinisch relevante additive Immuneffekte werden nicht erwartet.
Beim Absetzen von Fingolimod ist zu beachten, dass es bei ca. 10% der mit Fingolimod behandelten Patienten zu einer Rückkehr von Krankheitsaktivität bis hin zu einem Rebound-Phänomen mit teils fulminant verlaufenden Schüben kommen kann. In der Regel tritt dies zwei bis vier Monate nach Absetzen von Fingolimod auf. Patienten mit hochaktiver Verlaufsform ihrer MS vor Beginn mit Fingolimod, aber auch Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf Fingolimod scheinen eher hierzu zu neigen. In einzelnen Fallberichten wurde über eine Krankheitsreaktivierung bei Wechsel von Fingolimod auf Siponimod berichtet (3 Fälle, Abbadessa et al., J Clin Med 2022, PMID 36294354), wohingegen sich dies in anderen Fallserien nicht zeigte (Kohorte mit 227 Siponimod-Patienten, hiervon 35 Umstellungen von Fingolimod auf Siponimod ohne Krankheitsreaktivierung, Regner-Nelke et al., Neurol Re Pract 2022, PMID 36294354). Eine direkte Umstellung ohne Auswaschzeit sollte das Risiko jedoch minimieren.
Vorbehandlung mit Natalizumab oder Natalizumab-Biosimilar
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von mindestens sechs Wochen einzuhalten. Eventuelle Effekte auf das Immunsystem sollten abgeklungen sein.
Unmittelbar vor Beginn mit Siponimod muss ein MRT des Schädels inklusive hoch-sensitiver FLAIR-Sequenz im Hinblick auf das Vorliegen einer subklinischen PML erfolgen (obligat). Sollte sich in diesem MRT ein Anhalt für atypische Läsionen ergeben, sollte auch ohne klinischen Befund eine Lumbalpunktion mit Bestimmung der JC-Virus-DNA (hochsensitive PCR, wenn möglich Detektionslimit ≤ 10 DNA copies/ml) zum Ausschluss einer subklinischen PML durchgeführt werden. Bei Patienten mit positivem JCV-Antikörper- Status und einer Therapiedauer von > 20 Monaten sollte vorher eine Liquoruntersuchung einschließlich JCV-PCR erfolgen, um eine PML auszuschließen (fakultativ).
Der Nachweis einer rekonstituierten Immunsurveillance des ZNS nach Natalizumab ist mit den aktuellen diagnostischen Mitteln nicht ohne weiteres möglich. Nach der Umstellung von Natalizumab auf andere Immuntherapien (z.B. Fingolimod, Ocrelizumab) wurden innerhalb der ersten Monate mehrfach Fälle einer PML beobachtet („Carry-over“ PML). Besonders beim Auftreten neuer klinischer Symptome, die zu einer Umstellung von Natalizumab aufgrund mutmaßlich fehlender Wirksamkeit führen, ist eine besondere Aufmerksamkeit und niederschwellige Durchführung einer Lumbalpunktion geboten.
Untersuchungen an 1.866 Patienten, bei denen Natalizumab wegen der ersten PML-Fälle im Jahr 2005 abgesetzt wurde, haben gezeigt, dass meist die Krankheitsaktivität wieder auftritt wie vor Beginn der Therapie. Weitere Untersuchungen inkl. einer Metaanalyse haben gezeigt, dass bei einigen Betroffenen die Schubaktivität vorübergehend sogar stärker ausgeprägt sein kann als zuvor (= Rebound-Phänomen). Durch den plötzlichen Wegfall der Hemmung durch Natalizumab kommt es zu einem verstärkten und raschen Einstrom von Entzündungszellen ins Nervensystem. Dies kann bereits vier Wochen nach Absetzen bis hin zu sechs Monaten danach auftreten.
Vorbehandlung mit Mitoxantron
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von mindestens drei Monaten einzuhalten. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein. Anders als bei Natalizumab ist bei den im eigentlichen Sinne antiproliferativ wirkenden immunsuppressiven Medikamenten davon auszugehen, dass ein Differenzialblutbild sowie eine durchflusszytometrische Analyse der Lymphozyten-Subpopulationen im peripheren Blut in der Lage ist, das Vorliegen von Immunkompetenz anzuzeigen.
Vorbehandlung mit Cladribin
Wenn aufgrund von Nebenwirkungen oder nicht ausreichender Wirksamkeit der Cladribin-Behandlung auf eine andere Immuntherapie umgestellt wird, ist ein Sicherheitsabstand von mindestens sechs Monaten nach dem letzten Behandlungszyklus einzuhalten. Vor Beginn einer anderen Immuntherapie muss ein Differenzialblutbild einschließlich einer Lymphozytentypisierung (CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, B-Zellen und NK-Zellen) erstellt werden (fakultativ). Regelmäßige Blutbildkontrollen sollten auch nach Therapieende über mindestens fünf Jahre erfolgen (fakultativ). Therapiespezifische Effekte auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein.
Vorbehandlung mit Ocrelizumab oder Rituximab
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von mindestens sechs Monaten einzuhalten. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein.
Vor Beginn der Behandlung wird empfohlen, ein Differenzialblutbild einschließlich einer Lymphozytentypisierung (CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, B-Zellen und NK-Zellen) und IgG- / IgM-Level zu erheben (fakultativ).
Vorbehandlung mit Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin A oder Cyclophosphamid
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand von mindestens drei Monaten einzuhalten. Eventuelle Effekte jener Therapien auf das Immunsystem (z.B. Zytopenie) sollten abgeklungen sein.
Vorbehandlung mit Studienmedikamenten
Es wird empfohlen, einen Sicherheitsabstand einzuhalten, der mindestens fünf Plasmahalbwertszeiten des Studienmedikaments entspricht bzw. bis pharmakodynamische Effekte des Studienmedikaments abgeklungen sind. Dies sollte anhand objektiver, für das Studienmedikament bekannter Maße dokumentiert werden, z.B. Zytopenie, Leberwerterhöhungen, einschlägige Vitalparameter (obligat). Ein zellulärer (Lymphozytentypisierung: CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, CD19+-B-Zellen und NK-Zellen) und humoraler Immunstatus (IgG- / IgM-Level) muss erhoben werden (obligat).
Der Beginn einer Behandlung mit Siponimod wird aufgrund der Eigenschaften und Dauer der immunsuppressiven Wirkungen nach einer vorhergehenden Therapie mit Alemtuzumab nicht empfohlen, es sei denn der Nutzen der Behandlung überwiegt eindeutig die Risiken für den einzelnen Patienten.
Monitoring & Maßnahmen || unter Therapie
Klinisch-neurologische Kontrolle
Es müssen vierteljährlich klinisch-neurologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (obligat), ggf. unter Hinzuziehung von MS-behandlungserfahrenen Ärzten.
Labor-Basisprogramm
Routinelaborparameter: Blutbild und Differenzialblutbild müssen vier Wochen nach Behandlungsbeginn kontrolliert werden (obligat). Danach sind Laborkontrollen alle drei bis sechs Monate notwendig (obligat).
Dosisanpassung unter Therapie
- Bei Patienten mit 2 mg-Dosierung: Bei einer Lymphopenie IV° (< 200/μl) bestätigt in einer zweiten Messung nach zwei Wochen sollte die Dosis von 2 mg auf 1 mg reduziert werden.
- Bei Patienten mit 1 mg-Dosierung: Bei einer bestätigten Gesamtlymphozytenzahl von < 200/μl sollte die Behandlung mit Siponimod unterbrochen werden. Sobald die Gesamtlymphozytenzahl wieder einen Wert von > 600/μl erreicht, kann ein erneuter Behandlungsbeginn (mit erneuter Aufdosierung) in Betracht gezogen werden.
In EXPAND wurde bei Auftreten einer bestätigten Lymphopenie (< 200/μl) unter einer Dosierung von 2 mg eine Dosisreduktion auf 1 mg vorgenommen.
Die Leberwerte (GOT, GPT, GGT, Bilirubin) müssen vier Wochen nach Behandlungsbeginn kontrolliert werden (obligat). Danach sind Laborkontrollen alle drei bis sechs Monate notwendig (obligat).
Bei einem Anstieg der Lebertransaminasen über 5x ULN (upper limit of normal) müssen wöchentliche Kontrollen von GOT, GPT, GGT sowie Serum-Bilirubin und alkalischer Phosphatase durchgeführt werden. Bei einem wiederholten Anstieg der Lebertransaminasen über 5x ULN oder bei einer > 3x ULN-Erhöhung mit dadurch bedingten Symptomen muss Siponimod permanent abgesetzt werden.
In klinischen Studien wurde eine Erhöhung der Transaminasen und Bilirubin in 10,1% der Siponimod-behandelten Patienten im Vergleich zu 3,7% der Placebo-behandelten Patienten beobachtet. Ein Anstieg über das 3-fache und 5-fache des Normwertes (3x ULN bzw. 5 x ULN) trat in 5,6% und 1,4% der Patienten auf (versus 1,5% und 0,5% im Placebo-Arm). Die meisten Ereignisse traten innerhalb der ersten sechs Monate nach Therapiebeginn auf und erholten sich innerhalb von einem Monat nach Absetzen.
Radiologische Kontrolle
Zur Beurteilung des Behandlungserfolgs sowie zur möglichen Einschätzung differentialdiagnostisch relevanter Komplikationen der Therapie sollte einmal jährlich ein MRT des Schädels durchgeführt werden (fakultativ). Auf die Kontrastmittelgabe sollte verzichtet werden, wenn es keinen klinischen Anhaltspunkt für einen Krankheitsprogress gibt und ein standardisiertes Ausgangs-MRT vorliegt.
Kardiologische Kontrolle
Unter Therapie mit Siponimod sollte nach drei Monaten und danach jährlich eine Kontrolle des Blutdrucks erfolgen (fakultativ) und ein Bluthochdruck gegebenenfalls entsprechend behandelt werden.
In Studien trat unter Siponimod im Vergleich zur Placebo-Gruppe eine Blutdruckerhöhung von ca. 3 mmHg systolisch und 1,2 mmHg diastolisch auf. Dieser Effekt war nach einem Monat zu messen und persistierte über die Einnahmedauer von Siponimod.
Ophthalmologische Kontrolle
Bei allen Patienten muss eine ophthalmologische Untersuchung des Augenhintergrunds nach drei bis vier Monaten erfolgen, um zu untersuchen, ob ein Makulaödem vorliegt (obligat). In jedem Fall muss eine ophthalmologische Untersuchung des Augenhintergrunds erfolgen, wenn unter der Therapie Sehstörungen auftreten, die nicht einer Optikusneuritis zugeordnet werden können (obligat). Die Entscheidung für oder gegen die Wiederaufnahme der Behandlung mit Siponimod nach dem Abklingen eines Makulaödems muss im Einzelfall erfolgen.
Dermatologische Kontrolle
Bei Risikopatienten ist eine jährliche dermatologische Untersuchung unter Therapie zu empfehlen (fakultativ).
Pulmonologische Kontrolle
Bei Hinweisen auf eine Lungenfunktionsstörung ist eine zeitnahe fachärztliche pulmonologische Untersuchung durchzuführen (obligat).
Während der Therapie
Schübe
Schübe, die unter Siponimod auftreten, können nach Standardvorgaben mit einer Methylprednisolon-Pulstherapie behandelt werden (unter begleitender Weiterführung der Siponimod-Therapie). Ebenfalls möglich ist die Eskalationstherapie des MS-Schubs mittels Plasmapherese oder Immunadsorption. Siponimod wird aufgrund seiner Pharmakokinetik nicht ausgewaschen (siehe oben).
Zusätzliche Medikamente
Die zusätzliche Gabe von Immuntherapeutika ist streng kontraindiziert.
Bei der Einnahme von Siponimod muss auf folgende Medikamenteninteraktionen geachtet werden:
- CYP2C9 und CYP3A4 Inhibitoren
Aufgrund einer Erhöhung der Siponimodexposition wird eine gleichzeitige Einnahme von Siponimod und Medikamenten, die eine moderate CYP2C9 und gleichzeitig eine moderate oder starke CYP3A4 Inhibition bewirken, nicht empfohlen. Ein Beispiel wäre Fluconazol (dualer CYP2C9 und CYP3A4 Inhibitor). - CYP2C9 und CYP3A4 Induktoren
Aufgrund einer Erniedrigung der Siponimodexposition wird eine gleichzeitige Einnahme von Siponimod und Medikamenten, die eine moderate CYP2C9 und gleichzeitig eine starke CYP3A4 Induktion bewirken, nicht empfohlen. Beispiele wären Rifampicin und Carbamazepin (duale moderate CYP2C9 / starke CYP3A4 Induktoren).
Absetzen von Siponimod
Sollte das Absetzen von Siponimod notwendig sein (Unwirksamkeit, Nebenwirkungen, Patientenwunsch), so ist zu beachten, dass es bei einzelnen Patienten zu einer Rückkehr von Krankheitsaktivität kommen könnte.
Bei Fingolimod kann in ca. 10% der Patienten eine Rückkehr von Krankheitsaktivität bis hin zu einem Rebound-Phänomen mit teils fulminant verlaufenden Schüben in der Regel zwei bis vier Monate nach Absetzen auftreten. Patienten mit einer hochaktiven Verlaufsform ihrer MS vor Beginn mit Fingolimod, aber auch Patienten mit einem unzureichenden Ansprechen scheinen eher hierzu zu neigen.
Unter Siponimod sind bislang keine Daten zur Häufigkeit einer Rückkehr von überschießender Krankheitsaktivität verfügbar. Bei der Planung von Therapiesequenzen sollte berücksichtigt werden, dass Siponimod eine kürzere Halbwertszeit aufweist und bei 90% der Patienten die Lymphozyten innerhalb von 10 Tagen wieder im Normalbereich sind.
Besondere Hinweise
Kinder und jugendliche Patienten
Siponimod ist derzeit nur zur Behandlung Erwachsener zugelassen. Es liegen keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei pädiatrischer MS vor. Eine allgemein gültige Risiko-Nutzen-Abwägung ist deshalb nicht möglich. Jedoch ist aufgrund des Krankheitsverlaufs der MS von einem Auftreten einer SPMS bereits im Alter < 18 Jahren nicht auszugehen.
Schwangerschaft und Stillzeit
- Siponimod ist während der Schwangerschaft / Stillzeit streng kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter sind auf die Notwendigkeit einer wirksamen Empfängnisverhütung während und bis zu zehn Tage nach Absetzen der Therapie hinzuweisen (obligat).
- Da nach Abbruch der Behandlung die Elimination von Siponimod etwa zehn Tage dauert, sollte Siponimod mindestens zehn Tage vor einer gewünschten Konzeption abgesetzt werden.
- Eine unerwartete Schwangerschaft unter Siponimod ist keine zwingende Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Siponimod sollte in diesem Fall aber sofort abgesetzt werden.
Impfungen
VZV-seronegative Patienten müssen vor Therapiebeginn gegen VZV geimpft werden. Die Behandlung mit Siponimod kann frühestens nach Durchführung der Impfung begonnen werden. Die Wirksamkeit von Impfungen kann während der Behandlung und bis zu vier Wochen nach Absetzen von Siponimod eingeschränkt sein. Gegebenenfalls ist der Impferfolg mittels Titerkontrolle zu überprüfen. Die Unterbrechung der Behandlung für eine Woche vor und vier Wochen nach einer Impfung kann erwogen werden, in diesem Fall ist jedoch das Risiko einer Rückkehr der Krankheitsaktivität zu berücksichtigen (siehe oben). Die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen ist unter der Therapie und bis zu vier Wochen nach Beendigung von Siponimod zu vermeiden (obligat).
(Opportunistische) Infektionen
Bei akuten Infektionen unter Siponimod sind unverzüglich Maßnahmen zu Diagnostik und Therapie einzuleiten. Dies gilt insbesondere bei Verdacht auf (Re-) Aktivierung von Viren der Herpesgruppe (z.B. Herpes Zoster, HSV-Enzephalitis), sowie mykotische (z.B. Kryptokokkenmeningitis) oder bakterielle Infektionen (z.B. atypische Mykobakterien). Sollte es Anzeichen einer Immunkompromittierung geben (z.B. Infekthäufung, Aktivierung latenter Viren, opportunistische Infektionen), ist Siponimod sofort abzusetzen (obligat).
Unter Siponimod und weiteren Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren kann es zu seltenen schweren Infektionen kommen. Hierbei sind insbesondere zu nennen:
- Kryptokokken: Fälle von tödlicher Kryptokokkenmeningitis und disseminierter Kryptokokkeninfektion wurden unter dem Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator Fingolimod berichtet. Unter der Behandlung mit Siponimod wurde bislang ein Fall einer Kryptokokkenmeningitis berichtet.
- Virale Herpesinfektionen: Fälle von viralen Herpesinfektionen, einschließlich eines Falles einer VZV-Reaktivierung die zu einer VZV-Meningitis führte, wurden in klinischen Studien zu Siponimod berichtet.
- Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML): In klinischen Studien zu Siponimod traten keine PML-Fälle auf. Es wurden jedoch einzelne Patienten mit PML unter dem Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator Fingolimod diagnostiziert, so dass eine erhöhte Wachsamkeit in Bezug auf atypische Symptome (kortikale Sehstörungen, Wesensänderungen, epileptische Anfälle) und frühzeitige Diagnostik anzuraten ist.
Hämophagozytisches Syndrom
Sollten Patienten Fieber, Asthenie, eine Hepatosplenomegalie oder eine Adenopathie entwickeln, ist eine sofortige fachärztliche Abklärung im Hinblick auf ein hämophagozytisches Syndrom angezeigt. Das Syndrom ist durch einen erhöhten Ferritin-Serumspiegel, Hypertriglyceridämie, Hypofibrinogenämie, Koagulopathie, hepatische Zytolyse und Hyponatriämie charakterisiert.
Einzelfälle von hämophagozytischen Syndromen wurden unter Fingolimod beschrieben. Es ist nicht bekannt, ob dies ein Klasseneffekt ist und diese Nebenwirkung auch unter anderen Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren wie Siponimod auftreten kann.
Posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES)
Sollten Patienten unerwartete neurologische oder psychiatrische Symptome wie z.B. kognitive Defizite, Verhaltensauffälligkeiten oder kortikale Sehstörungen, Symptome eines erhöhten intrakraniellen Drucks oder eine rasche neurologische Verschlechterung zeigen, sollte unverzüglich eine neurologische und körperliche Untersuchung sowie ein MRT durchgeführt werden. Symptome eines PRES sind in der Regel reversibel, können jedoch in eine zerebrale Ischämie oder Hirnblutung fortschreiten.
Einzelfälle von PRES wurden unter Fingolimod beschrieben. Es ist nicht bekannt, ob dies ein Klasseneffekt ist und diese Nebenwirkung auch unter anderen Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren wie Siponimod auftreten kann.
Epileptische Anfälle
In der klinischen Phase-III-Studie zu SPMS wurde bei 1,7% der Patienten, die mit Siponimod behandelt wurden, über epileptische Anfälle berichtet, vs. 0,4% unter Placebo. Weitere Daten sind erforderlich, um das Anfallsrisiko unter Siponimod besser einschätzen zu können.
Dauer der Therapie
Die maximale Therapiedauer mit Siponimod ist momentan nicht bekannt. Daten zur Behandlung von MS-Patienten basieren im Wesentlichen auf zweijährigen Studiendaten. Die Weiterführung einer Therapie ist vom Erfolg der Behandlung abhängig zu machen, insbesondere gilt dies für progrediente MS-Formen. Dies ist zu Beginn der Behandlung zu besprechen. Zudem ist eine Entscheidung zur Weiterführung der Therapie abhängig vom Erfolg der Therapie im Zeitrahmen von einem bis maximal zwei Jahren nach Initiierung der Behandlung zu evaluieren. Dabei sind selbstverständlich Behandlungserfolg und Verträglichkeit zu berücksichtigen und eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung vorzunehmen.
Autoren
- Prof. Dr. Stefan Bittner
Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz
- Prof. Dr. Frauke Zipp
Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz
Weitere Informationen unter „Credits“.
Patientenaufklärung
Das KKNMS stellt einen Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Siponimod für Sie bereit.
Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Siponimod (PDF)
Autoren
Prof. Dr. Stefan Bittner
Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz
Prof. Dr. Frauke Zipp
Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz
In EXPAND wurden Patienten zwischen 18 und 60 Jahren mit einem EDSS von 3,0 bis 6,5 eingeschlossen, die eine schubunabhängige EDSS-Verschlechterung in den letzten zwei Jahren aufwiesen und in den letzten drei Monaten vor Studieneinschluss keinen Schub erlitten hatten. Über 55% der EXPANDPatienten hatten einen EDSS von 6,0 oder 6,5. Die mittlere Erkrankungsdauer betrug 17 Jahre. 21% der Patienten hatten kontrastmittelaufnehmende Läsionen bei Studieneinschluss. 64% der Patienten hatten in den zwei Jahren vor Studieneinschluss keinen Schub. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zu einer bestätigten EDSS-wirksamen Behinderungsprogression in einem Dreimonatszeitraum (3-Monats-CDP, confirmed disability progression). Siponimod führte hier zu einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 21% gegenüber Placebo (absolut: 288/1096 Patienten mit Siponimod (26%) gegenüber 173/546 mit Placebo (32%) erlitten eine 3-Monats-CDP).
In EXPAND waren alle SPMS-Betroffenen eingeschlossen, während die Zulassung nur für die Subgruppe mit aktiver Erkrankung erfolgte, da der Nutzen für diese Population noch ausgeprägter ist. Insgesamt waren 779 von 1.099 Patienten in der Behandlungsgruppe einer aktiven SPMS im Sinne der Zulassung zuzuordnen, in EXPAND definiert als: i) das Vorliegen von Schüben innerhalb der letzten zwei Jahre vor Studieneinschluss und / oder ii) das Vorliegen von kontrastmittelaufnehmenden Läsionen bei Studieneinschluss. Innerhalb dieser Subgruppe gab es eine relative Risikoreduktion um 31% gegenüber Placebo (absolut: 129/516 Patienten mit Siponimod (25%) gegenüber 91 / 263 mit Placebo (35%) erlitten eine 3-Monats-CDP). Weitere Analysen ergaben, dass eine Behandlung im Studienkollektiv einen positiven Effekt auf kognitive Funktionen hatte (gemessen an einer Veränderung um mind. 4 Punkte im SDMT-Test).
Für SPMS-Patienten ab 61 Jahren oder mit einem EDSS von 7 oder höher liegen formal keine Daten zur Wirksamkeit vor. Zudem zeigte sich in Subgruppen ein größerer Benefit bei (1) jüngeren, (2) weiblichen und (3) früher im Krankheitsverlauf behandelten Patienten, sowie bei (4) Patienten mit einer grösseren Anzahl an KM-aufnehmenden Läsionen und (5) mehr kürzlich zurückliegenden Schüben.