NMOSD

Rituximab

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf das in Deutschland und weltweit bislang am längsten und weitesten genutzte Rituximab-Präparat MabThera®. Inzwischen werden vielfach und überwiegend Biosimilars eingesetzt.

Indikation

Rituximab steht für eine Reihe von sehr ähnlichen, gentechnisch hergestellten, monoklonalen chimären Antikörpern (Maus / Mensch) gegen CD20, die zur Behandlung von follikulären und B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen, therapierefraktären chronisch-lymphatischen Leukämien (CLL) sowie bestimmten Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis, der granulomatösen Polyangiitis (GPA; auch Wegener Granulomatose), der mikroskopischen Polyangiitis und des Pemphigus vulgaris zugelassen sind.

Für die Behandlung der NMOSD liegt, bis auf Japan, keine Zulassung vor, aber das bestehende Zulassungsspektrum belegt die Wirksamkeit von Rituximab bei B-Zell-vermittelten Autoimmunerkrankungen. Eine randomisierte und verblindete Plazebo-kontrollierte Studie aus Japan zeigte bei AQP4-Ak positiven Patienten einen signifikanten Therapieeffekt durch Rituximab (Evidenzgrad II) und es existiert eine Vielzahl von retrospektiven Studien und Fallserien, die den günstigen Effekt von Rituximab bei Patienten mit einer NMOSD gezeigt haben (Evidenzgrad IV).

Positive Effekte von Rituximab bei der NMOSD konnten sowohl bei AQP4-Ak positiven als auch AQP4-Ak negativen Patienten gezeigt werden. Positive Effekte konnten auch bei der MOGAD gezeigt werden, allerdings waren bisher die Effekte bei der MOGAD geringer ausgeprägt als bei der NMOSD. Rituximab kann bei der NMOSD und der MOGAD zum Einsatz kommen.

Kontraindikationen

Eine absolute Kontraindikation besteht bei …

  • … Hypersensitivität gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Besonders ist auf Patienten mit bekannter Allergie gegen Maus-Proteine zu achten, die kein Rituximab infundiert bekommen dürfen.
  • … schwerer Herzinsuffizienz (NYHA IV) wegen der erforderlichen Infusionsmenge. Eine kardiovaskuläre Vorerkrankung oder eine Herzinsuffizienz (NYHA III) stellen ein erhöhtes Risiko dar, besonders beim Auftreten von Infusionsreaktionen.

Eine relative Kontraindikation besteht bei …

  • … aktiven schwerwiegenden Infektionen oder aktiver Tuberkulose.
  • … chronischen Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis B oder C, da ein negativer Effekt auf die Immunkompetenz im Rahmen dieser Erkrankungen nicht auszuschließen ist.
  • … Patienten mit signifikanter Infektionsneigung (z.B. Dekubitus, Aspirationsneigung, rezidivierende Harnwegs- oder respiratorische Infekte).
  • … Schwangerschaft oder während der Stillzeit.
  • … Kindern unter 18 Jahren. Es liegen keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei pädiatrischer NMOSD vor.

Dosierung

Wegen fehlender kontrollierter Studien existieren keine gesicherten Evidenzen zur Dosierung und zu Therapieintervallen bei der NMOSD und bei der MOGAD. Diese Empfehlungen folgen daher den Erfahrungen aus kontrollierten prospektiven Studien zur Behandlung anderer Autoimmunerkrankungen, inkl. der Multiplen Sklerose, sowie den empirisch etablierten Schemata aus Fallserien zur NMOSD-Therapie. Häufiger als das onkologische Dosierungsschema (Induktion mit 375 mg/m2 KOF Rituximab i.v. in Woche 0, 1, 2 und 3) wird inzwischen das rheumatologische Schema eingesetzt (Induktion mit 1000 mg i.v. in Woche 0 und 2). Für eine Erhaltungstherapie können die nachfolgenden Rituximab-Behandlungsintervalle gemäß der Quantifizierung von CD19+- und / oder CD20+-B-Zell-Werten geplant werden, alternativ erfolgt pragmatisch eine Therapie alle sechs Monate, üblicherweise in einer reduzierten Dosierung von z.B. 500 mg Rituximab i.v. als Einzelgabe (Evidenzgrad IV). Um in der Anfangsphase weitere Schübe zu vermeiden, sollte in den ersten zwei bis drei Monaten überlappend mit oralen Steroiden behandelt werden (z.B. im 1. Monat Prednisolon 20 – 30 mg/Tag, 2. – 3. Monat 10 – 20 mg/Tag), dazu gibt es allerdings keine ausreichenden Studien. Die bekannten Steroidnebenwirkungen müssen berücksichtigt und die Komedikation beachtet werden (z.B. Osteoporoseprophylaxe).

Unter Berücksichtigung der Krankheitsaktivität und von Komorbiditäten kann Rituximab in Einzelfällen gemeinsam mit klassischen Immunsuppressiva (z.B. MTX) kombiniert werden.

Es existieren keine gesicherten Evidenzen zu Dosisanpassungen nach Gewicht, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit. Einzelnen Berichten nach führen auch niedrigere Rituximab-Dosierungen zu einer Reduktion bzw. Depletion von B-Lymphozyten im peripheren Blut, allerdings wahrscheinlich auf Kosten der klinischen Wirksamkeit. Wichtig scheint vor allem zu Beginn der Behandlung eine hochdosierte Induktionsphase mit nachhaltiger B-Zell-Depletion zu sein.

Pharmakokinetik

Daten zur Pharmakokinetik bei Patienten mit NMOSD sind bisher nicht erhoben worden.

  • Nach Gabe von zwei Infusionen Rituximab à 1.000 mg im Abstand von zwei Wochen betrug in Studien zur rheumatoiden Arthritis die durchschnittliche Halbwertszeit 20,8 Tage (Schwankungsbereich 8,5 bis 35,9 Tage). Auch bei erneuten Behandlungszyklen zeigte sich eine ähnliche Halbwertszeit.
  • Rituximab kann als IgG-Antikörper die Plazentaschranke passieren und geht wahrscheinlich in die Muttermilch über.

Pharmakodynamik

  • Rituximab bindet an das CD20-Antigen auf B-Lymphozyten, induziert eine B-Zell-Lyse und bewirkt dadurch eine B-Zell-Depletion im Blut.
  • Die B-Zellen beginnen sich – individuell unterschiedlich – meist nach sechs Monaten zu erholen und erreichen in der Regel nach neun bis zwölf Monaten wieder Normalwerte. Einige Patienten zeigen eine Re-Population auch früher als nach 6 Monaten. Bei langjähriger Therapie kann es zu einer langanhaltenden Suppression der B-Zellen kommen, die ein Jahr oder länger persistieren kann.
  • Das Auftreten von humanen antichimären Antikörpern (HACA) wurde in Rheumastudien mit bis zu 11% beschrieben, wobei das Auftreten von damit assoziierten Infusionsreaktionen oder eines Wirkverlustes nicht ausreichend beurteilt werden kann.

Diagnostik || vor Therapiebeginn 

Anamnese und klinische Untersuchung zu möglichen Kontraindikationen

Durch eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sollte vor Therapiebeginn sowie vor jeder Infusion das Vorliegen möglicher Kontraindikationen, wie z.B. einer schweren Infektion, ausgeschlossen werden (obligat). Bei Patienten mit aktiver Infektion sollte die Rituximab-Gabe verschoben werden, bis die Infektion vollständig kontrolliert ist. Anamnese und Untersuchung sollten detailliert dokumentiert werden (obligat).

Labor-Basisprogramm

  • Routinelaborparameter: Vor Beginn der Therapie müssen Blutbild und Differenzialblutbild sowie Leberwerte (GOT, GPT, Bilirubin, AP) bestimmt werden (obligat). Insbesondere empfiehlt es sich, den Status von CD19+- und / oder CD20+-B-Zellen zu erheben und als Ausgangswert zu dokumentieren (obligat). Des Weiteren muss im Serum Gesamt-IgG als Ausgangswert quantifiziert werden (obligat).
  • Entzündungs- und Infektionsparameter: Bei allen Patienten sollten eine akute Entzündung (CRP, Urinstatus) sowie chronische aktive bakterielle und virale Infektionen (Tbc, Lues, HBV, HCV, HIV) ausgeschlossen werden (obligat). Für den HIV-Test ist eine schriftliche Einverständniserklärung der Patienten erforderlich. Bei Verdacht auf Tbc in der Vorgeschichte oder bei Personen, die in Gebieten mit höherer Tbc-Prävalenz leben, sollte die Tbc-spezifische Immunreaktion untersucht werden (mittels Tbc-spezifischem ELISPOT oder Interferon-Gamma-Release-Test, z.B. Quantiferon®) (obligat). Bei positivem Testergebnis muss die Gefahr einer Tbc-Reaktivierung abgeklärt werden (Röntgen-Thorax und ggf. weitere Diagnostik) (obligat). Zudem muss überprüft werden ob Immunität gegen das Varizella-Zoster-Virus (VZV) vorhanden ist (Nachweis von VZV-IgG im Serum, anamnestisch durchgemachte Windpocken-Erkrankung). Bei fehlender Immunität sollte vor Beginn der Therapie eine Impfung durchgeführt werden.
  • Schwangerschaftstest: Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter muss eine Schwangerschaft, ggf. mittels Schwangerschaftstest, ausgeschlossen werden (obligat).
  • Impfstatus: Vor Beginn einer Therapie mit Rituximab soll der Impfstatus überprüft werden und ausstehende und empfohlenen Impfungen (gemäß der STIKO) sollten zeitnah unter Berücksichtigung der Krankheitsaktivität erfolgen. Eine Impfung kann zu einer zusätzlichen Aktivierung des Komplementsystems und dementsprechend potentiell zu einer Krankheitsexazerbation führen.

Radiologische Diagnostik

Eine Ausgangs-MRT des Rückenmarks und des Gehirns, möglichst mit Gabe eines nichtlinearen Kontrastmittels zur Untersuchung auf Schrankenstörung, muss vor Behandlungsbeginn mit Rituximab durchgeführt werden (nicht älter als drei Monate) und als Ausgangsbefund für den weiteren Therapieverlauf dienen (obligat).

Dokumentierte Aufklärung der Patienten über Therapie und Risiken

Eine standardisierte Aufklärung über den Einsatz einer off-label Therapie sowie die Risiken und Nutzen der Rituximab-Therapie und eine schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten sind vor Behandlungsbeginn obligat. Die standardisierte Aufklärung mit Einwilligungserklärung zur Therapie sollte speziell auf folgende Risiken eingehen:

  • Infusionsreaktionen
  • erhöhtes Risiko für Infektionen einschließlich opportunistischer Infektionen. Auch das unter einer Monotherapie mit Rituximab sehr seltene, aber mögliche Auftreten einer PML muss erwähnt werden.

Vortherapien || Abstand und Maßnahmen

Grundsätzlich sollte eine längere Therapiepause bei NMOSD aufgrund des Risikos schwerer Erkrankungsschübe vermieden werden und rasch eine Therapie eingeleitet oder fortgesetzt werden. Wenn von Azathioprin, MMF oder einer anderen immunsuppressiven Therapie (Mitoxantron, Methotrexat, Ciclosporin A, Cyclophosphamid), einem MS Medikament sowie von Eculizumab, Satralizumab / Tocilizumab, oder anderen B-Zell gerichteten Therapien aufgrund von Wirkungslosigkeit (Auftreten von Schüben) auf Rituximab umgestellt wird, sollte dies ohne Therapiepause erfolgen. Jedoch sollten nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung möglichst Effekte auf das Immunsystem (z.B. Leuko- / Lymphopenie) oder die Leberfunktion abgeklungen sein. Ggf. muss zum Ausschluss einer infektiösen entzündlichen ZNS-Erkrankung (z.B. VZV-Infektion, PML) vorher eine Liquordiagnostik erfolgen.

Bei Patienten, die bei initial falscher Diagnose einer MS mit einem MS-Medikament behandelt wurden und bei denen es darunter zu einer Verschlechterung der NMOSD gekommen ist bzw. schwere Schübe auftraten (z.B. nach Natalizumab, Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator oder Alemtuzumab), sollten ebenfalls rasch Rituximab erhalten. In diesen Fällen sind die sonst üblich empfohlenen Wartezeiten (analog zu den Empfehlungen bei Therapieumstellungen bei MS-Patienten) nicht einzuhalten. Dennoch sollte auch hier eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen und möglichst Effekte auf das Immunsystem (z.B. Leuko- / Lymphopenie) oder die Leberfunktion abgeklungen sein. Bei hoher Krankheitsaktivität oder bestimmten Komorbiditäten kann auch eine Kombinationstherapie oder eine überlappende Therapie notwendig sein, zudem sollte bei Therapieumstellung aufgrund von Krankheitsaktivität (Schub) eine überbrückende orale Steroidtherapie erfolgen. Bei ungewöhnlicher Präsentation und / oder V.a. PML sowie zum Ausschluss einer infektiösen entzündlichen ZNS-Erkrankung (z.B. VZV-Infektion) sollte eine Liquordiagnostik (einschl. JCV-PCR) erfolgen und ein MRT unmittelbar vor Therapiebeginn inklusive T2-, DWI- und hochsensitiver FLAIR-Sequenz vorliegen (obligat). Die Patienten sollten in einem für NMOSD spezialisierten Zentrum betreut werden.

Während der Infusion || Durchführung & Monitoring

Rituximab kann zu akuten Infusionsreaktionen und lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen. Es kann daher nur unter engmaschiger Überwachung von erfahrenem medizinischem Fachpersonal angewendet werden, und es muss eine vollständige Ausrüstung zur Wiederbelebung sofort verfügbar sein (obligat). Zeichen einer akuten oder verzögerten Infusionsreaktion wie Urtikaria, Pruritus, Exanthem, Luftnot, Angina pectoris, Blutdruckabfall, Fieber, Myalgien und Arthralgien sind zu beachten (obligat). Vor Beginn der Infusion werden jeweils 100 mg (Methyl-)Prednisolon i.v., Paracetamol und ein Antihistaminikum i.v. oder oral verabreicht, um etwaige Unverträglichkeitsreaktionen abzuschwächen (fakultativ). In Einzelfällen können zwecks Verbesserung der Verträglichkeit auch höhere Steroiddosierungen eingesetzt werden. Die Infusionen müssen über eine Venenverweilkanüle mit sicherer intravenöser Gabe durchgeführt werden (obligat).

Bezüglich der Handhabung und Herstellung der Infusionslösung sowie Infusionsgeschwindigkeit sollte sich nach der Fachinformation gerichtet werden. Während der Infusion sollten alle 30 Minuten die Vitalparameter gemessen und dokumentiert werden (fakultativ). Bei Auftreten einer Infusionsreaktion muss die Geschwindigkeit reduziert bzw. bei schweren Reaktionen die Infusion gestoppt werden. Zur symptomatischen Therapie der Infusionsreaktion stehen Antipyretika (z.B. Paracetamol) und Antihistaminika (z.B. Dimetinden [z.B. Fenistil®]) auch intravenös zur Verfügung. Die Symptome einer Infusionsreaktion bilden sich in der Regel innerhalb kurzer Zeit zurück, sobald die Infusion beendet bzw. unterbrochen wurde.

Infusionsreaktionen, die während oder innerhalb von 24 Stunden nach der Rituximab-Infusion auftreten, sind in der Regel auf eine Zytokinfreisetzung während der Infusion zurückzuführen. Typische Nebenwirkungen sind Kopfschmerz, Ausschlag, Pruritus und Schwindel. Die klinischen Merkmale von anaphylaktischen Reaktionen, die deutlich seltener auftreten, können jenen von infusionsassoziierten Effekten ähneln, sind aber schwerwiegender und potenziell lebensbedrohlich. Behandelnde Ärzte sollten die kardiologische Anamnese des Patienten kennen, da auch kardiale Symptome wie Tachykardie zu den möglichen Reaktionen gehören können.

Monitoring & Maßnahmen || unter Therapie

Klinisch-neurologische Kontrolle

Nach dem ersten Behandlungsmonat und dann vierteljährlich müssen klinisch-neurologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (obligat). Hierbei sollte gezielt nach vermehrten Infektionen gefragt und diese dokumentiert werden.

Labor-Basisprogramm

Ein Blutbild und Differenzialblutbild sowie Leberparameter (GOT, GPT, Bilirubin, AP) müssen zu Therapiebeginn in Abhängigkeit möglicher Vortherapien zunächst nach zwei und vier Wochen und dann bei guter Verträglichkeit alle drei Monate erfolgen (obligat). Alle drei Monate bzw. vor einer erneuten Rituximab-Gabe sind die CD19+- und / oder CD20+-B-Zellen zu bestimmen (fakultativ). Mindestens in sechsmonatlichen Intervallen sollten zudem die Gesamt-IgG und -IgM im Serum bestimmt werden (obligat).

Radiologische Kontrolle

Zur Beurteilung des Behandlungserfolgs sowie zur möglichen Einschätzung differentialdiagnostisch relevanter Komplikationen der Therapie sollte einmal jährlich eine MRT des Rückenmarks und des Gehirns durchgeführt werden (fakultativ).

Auf die Kontrastmittelgabe sollte verzichtet werden, wenn es keinen klinischen Anhaltspunkt für Krankheitsaktivität gibt, keine klinischen Hinweise für eine PML oder andere infektiöse- oder nicht-infektiöse ZNS-Erkrankung vorliegen und eine standardisierte Ausgangs-MRT vorliegt.

Während der Therapie

Zu Beginn der Rituximab-Therapie können noch Schübe auftreten, daher wird eine überlappende Therapie mit oralen Steroiden (z.B. im ersten Monat Prednisolon 20 – 30 mg/Tag, zweiter bis dritter Monat 10 – 20 mg/Tag) in den ersten drei Monaten empfohlen. Schübe, die unter Rituximab-Therapie auftreten, können nach Standardvorgaben mit einer Methylprednisolon-Pulstherapie behandelt werden. Ebenfalls möglich ist die Therapie des Schubs mittels Plasmapherese (PE) oder Immunadsorption (IA). Eine beschleunigte Elimination von Rituximab infolge der PE/IA ist denkbar, daher sollte die PE/IA falls möglich vor der Rituximab-Gabe erfolgen, da andernfalls mit einem Wirkverlust von Rituximab gerechnet werden muss.

Bei atypischer Präsentation und / oder Therapieversagen sollte differentialdiagnostisch immer an eine PML oder andere ZNS-Infektionen gedacht werden. Relevant ist hier die Prüfung von Ursachen für ein mögliches zugrundeliegendes Therapieversagen (z.B. persistierende CD19+- und / oder CD20+-B-Zellen oder auch das Vorliegen von anti-Rituximab Antikörpern). Sollte sich der Verdacht auf eine PML erhärten, muss eine differentialdiagnostische Abklärung mittels MRT und Liquorpunktion (Nachweis JCV-DNA) unmittelbar angeschlossen werden.

Besondere Hinweise

Kinder und jugendliche Patienten

Rituximab ist derzeit nur zur Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen von Erwachsenen zugelassen. Die Erfahrung in der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen mit NMOSD beschränkt sich auf Fallserien und retrospektive Analysen. Dabei zeigte Rituximab auch bei Kindern und Jugendlichen positive Effekte mit Verminderung der Schubrate und besserem „outcome“ insbesondere auch bei Anwendung als „first-line“ Therapie; eine allgemein gültige Nutzen-Risiko-Abwägung ist noch nicht möglich.

Schwangerschaft und Stillzeit

  • Die FDA empfiehlt eine sichere Empfängnisverhütung für B-Zell-gerichtete Antikörper-Therapien bis sechs Monate nach letzter Gabe, die EMA für Ocrelizumab und Rituximab bis zwölf Monate nach letzter Gabe. Unter Berücksichtigung der Halbwertszeiten und der Krankheitsaktivität kann nach Expertenmeinung eine Schwangerschaft frühestens zwei Monate nach Behandlung mit Rituximab geplant werden. Sollte nach einer kritischen Nutzen-Risiko-Analyse im Rahmen einer individuellen Therapieentscheidung die Behandlung während einer Schwangerschaft für notwendig erachtet werden, kann nach entsprechender Aufklärung und unter regelmäßigem Monitoring von Mutter und Fetus entsprechend den lokalen Empfehlungen eine Therapie mit Rituximab in der Schwangerschaft erfolgen. In diesem Fall wird die Bestimmung der B-Zellen aus dem Nabelschnurblut beim Neugeborenen empfohlen und es sollte eine Rücksprache mit den Kinderärzten hinsichtlich geplanter Impfungen erfolgen.
  • Frauen im gebärfähigen Alter sind auf die Notwendigkeit einer wirksamen Empfängnisverhütung hinzuweisen (obligat).
  • Aus den Zulassungsstudien und nach tierexperimentellen Daten sind keine teratogenen Wirkungen und keine Auswirkungen auf die weibliche und männliche Fertilität bekannt. Eine unerwartete Schwangerschaft unter Rituximab ist keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch.

Über mögliche fruchtschädigende Wirkungen einer Rituximab-Therapie bei Mann und Frau liegen bisher keine ausreichenden Daten vor. Zwar existieren einzelne Fallberichte und Fallserien über vergleichsweise gute Erfahrungen von Frauen mit einer NMOSD wie auch mit rheumatologischen Erkrankungen, die unter einer Rituximab-Therapie schwanger wurden, systematische Studien fehlen allerdings.  Es ist zu empfehlen die Therapie mit Rituximab zeitnah nach Entbindung wieder aufzunehmen um frühe postpartale Schübe zu verhindern.   

Die Gabe von Rituximab während der Stillperiode kann erfolgen, idealerweise sollte sie nicht vor 1-2 Wochen postpartal begonnen werden (nach Milcheinschuss/Kolostrum).

Impfungen

  • Umfassende Untersuchungen zu Impfungen und Rituximab liegen nicht vor. Grundsätzlich können Impfungen mit sogenannten Totimpfstoffen, mRNA Impfstoffen und Vektorimpfstoffen während der Therapie mit Rituximab erfolgen. Die Wirksamkeit von Impfungen kann während und nach der Gabe von Rituximab eingeschränkt sein. Ggf. ist der Impferfolg mittels Titerkontrolle zu überprüfen (fakultativ).
  • Die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen ist unter der Therapie mit Rituximab kontraindiziert (obligat).

Dauer der Therapie

Da es sich bei der NMOSD um eine chronisch verlaufende Erkrankung handelt, ist wahrscheinlich auch eine lebenslange Therapie notwendig. Belastbare Erfahrungen zur Entwicklung der Erkrankung nach Absetzen einer Rituximab-Therapie liegen für keinen Zeitpunkt vor; daher ist bei Beenden der Therapie ohne Initiierung einer alternativen Therapie mit erneuten Schüben zu rechnen. Zudem ist die maximale verträgliche Therapiedauer mit Rituximab momentan nicht bekannt. Grundsätzlich existieren Erfahrungen mit einer bis zu achtzehnjährigen Rituximab-Therapie innerhalb des NEMOS-Verbundes und bei den genannten anderen Autoimmunerkrankungen, unter der keine besonderen spezifischen Infektionsrisiken erkennbar waren. Fälle einzelner schwerer Infektionen (u.a. Harnwegsinfektionen, Pneumonien) insbesondere bei langer Therapiedauer sind berichtet worden. Opportunistische Infektionen sowie eine PML traten meist bei bereits immunsuppressiv vorbehandelten rheumatologischen Patienten mit einer Kombinationstherapie auf, so dass die Übertragbarkeit auf die typische NMOSD-Therapiesituation (Monotherapie) eingeschränkt ist. Aus immunologischer Sicht ist allerdings anzunehmen, dass mit zunehmender Therapiedauer und zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit infektiologischer Nebenwirkungen steigt, insbesondere dann, wenn die Immunglobulin-Konzentrationen im Serum abnehmen. Bei Auftreten von vermehrten Infektionen und verminderten Serum-IgG-Spiegeln sollte eine Substitution mit Immunglobulin G gemäß den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Haemotherapie erfolgen. Bisher fanden sich auch keine Hinweise auf ein erhöhtes Malignomrisiko. Aus Einzelfällen ist die Gefahr einer Late-Onset-Neutropenie (also eine einige Wochen bis Monate nach Gabe von Rituximab auftretende Neutropenie) bekannt. Eine abschließende Beurteilung auch hinsichtlich anderer Langzeitrisiken ist zur Zeit noch nicht möglich. Daher sollte die Indikation der Therapiefortführung im Rahmen von regelmäßigen klinischen und paraklinischen Untersuchungen sorgfältig überprüft werden. Unter Berücksichtigung der Verträglichkeit ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen. Bei längerfristigen (> 6 Monate) Kombinationstherapien (z.B. Rituximab + Methotrexat, und / oder + Steroide) sollte eine Pneumocystis-Pneumonie (PCP)-Prophylaxe (z.B. mit Cotrimoxazol 3x/Woche) erwogen werden.

Bezüglich der Therapiedauer bei der MOGAD können noch keine klaren Empfehlungen gegeben werden, da Daten hierzu nicht vorliegen. Das Beenden einer Rituximab-Therapie sollte daher immer individuell mit einem in der Behandlung der MOGAD spezialisierten Zentrum / Arzt besprochen werden. 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass Rituximab regelmäßig verabreicht werden muss, um seine klinische Wirksamkeit dauerhaft zu entfalten.

Autoren

  • Prof. Dr. Orhan Aktas

    Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

  • Prof. Dr. Ingo Kleiter

    Marianne-Strauß-Klinik, Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose Kranke gGmbH, Berg

  • Prof. Dr. Tania Kümpfel

    Institut für Klinische Neuroimmunologie, LMU-Klinikum, München

  • Prof. Dr. Corinna Trebst

    Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover

Weitere Informationen unter „Credits“.

Patientenaufklärung

Das KKNMS stellt einen Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Rituximab für Sie bereit.

Patientenaufklärungsbogen zur Therapie mit Rituximab (PDF)

WORKFLOW-TABELLE

VOR der Therapie
WÄHREND der Therapie
Erläuterung

Autoren

Prof. Dr. Orhan Aktas

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Prof. Dr. Ingo Kleiter

Marianne-Strauß-Klinik, Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose Kranke gGmbH, Berg

Prof. Dr. Tania Kümpfel

Institut für Klinische Neuroimmunologie, LMU-Klinikum, München

Prof. Dr. Corinna Trebst

Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover